DAMN or ATONEMENT REQUIRED

Sie sprechen von einer Epidemie. Das ist falsch. Vorher hat einfach niemand Anteil genommen, kein Promi hat sich eingesetzt, keiner Nachrichtensendung war der Selbstmord eines in den Tod gehassten schwulen Teenies eine Meldung wert. Ich vermute, dass die Anzahl schwuler Selbstmörder über die Jahrzehnte konstant ist, eben nicht epidemisch. Was nicht heißt, dass die Öffentlichkeit nicht darauf hingewiesen werden sollte. Der Skandal ist, dass dies erst jetzt geschieht. „Es wird besser“ sagt Darling-Chris, und hat Recht. Wenn man das Mobbing überlebt hat, kann man sich irgendwann einen Lifestyle erschaffen, in dem man sich wohl fühlt, in dem man sich mit Menschen umgibt, die einen schätzen. Was einem niemand wiedergeben kann, was man sich selbst hart erkämpfen muss und was es letztlich nicht gibt (hier würde ich gerne Rilkisch „giebt“ schreiben) – ein Grundvertrauen in Akzeptanz, die nicht vorhanden ist. Einige tolerieren, einige akzeptieren, noch viel zu viele – und das wird sich nicht ändern – hassen. Wie schön wäre es, wenn es ihnen einfach egal wäre?

Wenn ich im Supermarkt eine Panikattacke bekomme, dann, weil irgendwas in mir darauf wartet, angeschrien zu werden, beleidigt, gedemütigt. Weil ich mich zutiefst verunsichert fühle, heute noch. Was mich ein bisschen beruhigt – das Arschloch, das damals den Krieg gegen mich angezettelt hat, hat auch kein schönes Leben. Ja, das freut mich.

Und deshalb werde ich nicht aufhören, Matthew Shepard zu erwähnen, Cyndi Laupers „We give a damn“-Clips zu posten und würde gern noch viel mehr tun, um Kids dieses Leid zu ersparen, denn es geht weiter, selbst wenn die Lebensumstände sich verändert haben. Wenn Du wie worthless shit behandelt wirst, gequält, vorgeführt, dann glaubst Du es irgendwann selbst und es braucht eine Armee von Elefanten, Dich da raus zu holen.

4 Gedanken zu „DAMN or ATONEMENT REQUIRED

  1. Roulette

    „… eine armee von elefanten …“ 🙂

    und das ist es eben, die größten arschlöcher, die einem im leben so begegnet sind, sind doch welche geblieben und damit allein und einem weniger schönen leben.

    das ist genugtuung genug und man selbst weiß dann wieder, dass man eben nicht verkehrt ist, sondern die arschlöcher sind es.

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  2. timanfaya

    ein teil der gesellschaft – und da ist es dummerweise völlig egal, welche sprache sie spricht – braucht leider irgendeine gruppe, die klein genug ist, damit sie sich im zweifel nicht wehren kann wenn man selbst den frust über sein sinnentleertes verpfuschtes und vor allem gefühlt fremdbestimmtes leben an genau denen auslassen kann. einmal macht spüren und sich gut dabei fühlen. letztendlich auch kein anderer mechanismus wie bei den amokläufern. gefühlte macht oder allmacht ist das thema. und genau deswegen wird es wohl noch für lange zeiten kein hauptgewinn sein wenn man ein fetter häßlicher schwuler jude unter 20 ist. schande über unsere gesellschaft …

    rückblickend muss ich mir dabei leider auch an die eigene nase fassen. an jeder schule gibt es lichtgestalten, die graue mitte und verlierer. ich gehörte zur ersten gruppe und hätte eigentlich jedem was aufs maul hauen sollen, der sich – zumindest verbal [mehr passiert an einem altsprachlichen gymansium in der langweiligtsen stadt der welt in der regel nicht] an mitgliedern der letzten gruppe vergreift. das habe ich aber nicht getan, obwohl ich sowohl die psychischen als auch die physischen möglichkeiten dazu hatte. und ich habe es nicht getan, weil ich dafür nicht sensibilisert genug war, das passierte erst viel später. und ich finde, das thema [minderheiten, „andersartige“, etc] gehört verdammt noch mal an die grundschulen und kindergärten. dieses land versucht viel zu viel an den weiterführenden schulen zu retten, was kaum noch zu retten ist. da ist der hafer meistens schon längst geschnitten.

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