30 IN KREUZBERG

Fahre die Ohlauer runter, hinter mir ein Polizeiwagen. Ich achte drauf, nicht zu weit über 30 zu fahren. Als ich auf den Penny-Parkplatz abbiege, bleibt der Wagen hinter mir und signalisiert per Lichtzeichen, anzuhalten. Mach ich.
„Was gibt es denn?“ frag ich.
„Sie sind so verschlafen gefahren.“
Ah ja.
Er steht jetzt direkt vor mir. „Haben Sie Drogen genommen?“
„Nein, wie kommen Sie darauf?“
„Sie haben so glasige Augen.“
„Das liegt an den Medikamenten.“
„Was nehmen Sie denn?“
„Citalopram.“
„Dann erstmal Führerschein und Kraftfahrzeugschein.“
Ich halte mich ganz gut, was ein klassisches Angst-Szenario angeht. Nervös bin ich, genervt. Ein bisschen zittrig.
„Was ist denn dieses Mittel, das Sie nehmen?“
„Gegen Angstzustände und Panikstörung.“

10 Minuten später, nach Überprüfung der nicht zu beanstandenen Papiere.

„Wären Sie denn bereit, ein paar Tests mit mir durchzuführen?“
„Bitte.“
Während der Tests wächst meine Anspannung.
„Sie zittern.“
„Ja. Und wenn ich nicht meine Medikamente nehmen würde, dann würde ich hier schon am Boden liegen vor Panik, eventuell so, dass ich kotzen müsste. Halbe Stunde etwa.“
„Das ist schlecht.“
„Ja. Da sind zwei Pillen täglich die Alternative. Glasige Augen und alles.“

Ein Verkäufer vom Getränke-Hoffmann ruft rüber „Na! Verhaftense dich? Was hastn verbrochen?“
„Ich bin 30 in ner 30er Zone gefahren.“

Abgesehen vom Zittern entdeckt er keine weiteren Gründe, die für einen Drogenrausch sprechen. Auch das Beleuchten meiner Pupillen und das Betrachten eines Kulis, den er mir vors Gesicht hält verläuft für ihn unbefriedigend in Anbetracht seiner Trefferquote. Er erwägt einen drogenbewanderteren Kollegen hinzu zu ziehen.
„Schaun Sie, wenn Sie möchten fragen Sie die Frau beim Getränke-Hoffmann, die weiß von meiner Erkrankung. Oder wir gehen zu meiner Ärztin, da komme ich nämlich gerade her. Sie hat mir gerade eine hervorragende körperliche Gesundheit attestiert, wenn man mal von der Panikstörung absieht.“

Und offenbar findet er mich minütlich weniger junkie-mäßig. Und ich bin so froh, dass die Medikamente wirken. Oder vielleicht sieht er auch einfach ein, dass 200m 30 fahren in einer 30er-Zone (insbesondere, wenn einem ein Polizeiwagen folgt!) nicht wirklich ein Kriterium für Verkehrsuntauglichkeit ist. Und dann murmelt er etwas und verschwindet ohne weiteren Gruß.

(Kurzfasssung, die die Androhung eines richterlich anzuordnenden Drogentests außen vor lässt, und so Formuierungen wie „Sind Sie schon einmal mit Drogen in Berührung geraten?“ oder „Sie müssen dazu natürlich keine Aussage machen.“)

Ein Gedanke zu „30 IN KREUZBERG

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