15 Jahre haben ihm sehr gut getan. Der Mann sieht mit 41 besser aus als damals mit Mitte 20. Damals ein Puppy-hunk, heute „nur noch“ hunk, und dass er einen wifebeater trägt, vermutlich nicht einmal ironisch gemeint, passt auch zu diesem Wiedersehen. Die Stimme ist dieselbe geblieben, sehr ruhig, sehr sanft, was einen schönen Kontrast zu dem muskulösen Oberkörper liefert. Ich bin zunächst furchtbar angespannt, das legt sich auch erst langsam. Er zeigt mir seine neuen Arbeiten und da sehe ich auch etwas, was neu ist – ein feiner Humor, der damals noch nicht da war. Und das ist genau der Kick, den seine Arbeiten brauchten und der sie einzigartig macht. Ich sehe, er hat sich gefunden.
Irgendwann steht er neben mir und schaut mir vorm Mac über die Schulter und ich bin kurz davor. Einen denkbar schlechteren Moment gebe es nicht – er verreist am nächsten Tag mit seinem Freund, für mehrere Wochen. Außerdem gibt es ja noch das Moment der peinlichen Fehleinschätzung der Lage. So lasse ich den Moment verstreichen. Kurz bevor er geht stehen wir uns gegenüber und er nimmt mich in den Arm und ich fühle mich wie in einem Jojo Moyes-Roman. Alles, was man über große Männer mit breitem Kreuz und festen warmen Armen sagt – so eine Geborgenheit. Kurz der Gedanke – das hätte sein können. Dann die Vernunft – damals wäre es nicht möglich gewesen. Jetzt?
Auf der Straße vorm Haus noch eine feste Umarmung. Tschüss und bis bald. Meld dich, wenn Du zurück bist – soviel Zeit lassen wir nicht wieder verstreichen. Dann steigt er auf sein Fahrrad, ich geh in die andere Richtung zu meinem Wagen. Schau mich nochmal um.