ANYTHING WORTH HAVING IS WORTH WAITING FOR*

68 war gerade erst 10 Jahre her und die Musiklandschaft in Deutschland war von großer Diversität. In den wenigen TV-Sendungen, die Pop eine Bühne gaben, wechselten sich Schrottschlagersänger mit Disco-Koksern und Schunkel-Volkstümlern ab. Marianne Rosenberg neben Simon & Garfunkel, Jürgen Marcus vor oder nach den Jacksons. Informationen über Musik bezog man vornehmlich von den britischen Radiosendern, wo man am Samstag die Charts abhörte und Neues und Liebenswertes auf Cassette mitschnitt. Dann machte es im Jahr 1978 drei mal hörbar PENG. So Atombomben-PENG– Nina Hagen kam aus London zurück und machte Rockmusik mit herrlich unflätigen Texten und erkor sich zur Mutter des deutschen Punk. Sie hatte meine vollste Aufmerksamkeit. Dann trat Kate Bush bei Bio auf und die Welt geriet aus den Fugen. Eine expressive 20jährige mit wahnhaft schöner Stimme nahm uns mit auf eine Reise in ihren inneren Pantheon, der mit skurrilem Wesen bevölkert war. Überirdisch, otherwordly. Und dann – Blondie. Die Stimmes der Coolness, die den New Yorker Underground überstanden hatte und nun – etwas belustigt – in die Dorfdiscos transportierte. „Heart of Glass“ lief auch beim Austoscooter auf dem Schützenfest. Marianne Rosenberg machte nicht halt davor, eine deutsche Fassung zu präsentieren. Debbie Harry erschuf eine neue Persona – eine coole, kantige, harte Frau. Streamgelinet zwar, mit perfektem Make-up, trocken und von erfrischend kalter Schönheit, die sich genau so in ihrer Stimme und ihrem Gesang präsentierte- the voice of cool. Debbie hatte aber auch immer etwas Angekratztes, Beschädigtes. War es das Debutalbum, wo man sie auf dem Plattencover aus einem Autowrack klettern sieht? Dann am Hinterkopf dieses Eingeständnis an die künstliche Blondheit – eine breite Fläche ungefärbten Haares, die vermuten lässt, dass ihr mitten beim Färben das Wasserstoffperoxid ausgegangen ist. Stilettoes, in denen man im Gefahrenfall nicht fliehen kann. Aber sie stand da immer, stoisch, eine New Wave Femme Fatale, wobei die Musik von Blondie sich eigentlich sehr viel vielschichtiger zusammensetzt und mit der britischen New Wave absolut gar nichts zu tun hatte. Man brauchte halt ein Label und die Blondie-Selbstinszenierung passte am Besten in das Lager der durchgeknallten Selbstinszenierer, die irgendwann den Synthesizer für sich entdeckten.

35 Jahre nach „Parallel Lines“ finde ich mich im Tempodrom 10 Meter von Debbie Harry entfernt, die mittlerweile eine Vorliebe für synthetische Perücken hat – sie darf das – und ich muss sagen, dass ich noch nie zuvor eine so coole Endsechzigerin gesehen habe. Ein Kleid, das von Vivienne Westwood sein könnte, oder eine Stickübung ihres Patenkindes – schwer zu sagen. Aber gewohnt angetrasht und so einen Ausgleich liefernd für das immer noch verstörend schöne Gesicht mit den Wangenknochen eines 50er Buicks. Knappe anderthalb Stunden, größtenteils Hits, ein paar Überraschungen („You gotta fight for your right to party“), bisschen was von der (größtenteils schwachen) „Ghosts of Downoad“. Erst gibt´s keinen Ton bei „One way or another“, dann findet offenbar doch jemand den Schalter und sie fängt nochmal von vorn an. Dann bleibt die Lichteinstellung hängen, in einem Roséton, der völlig okay ist. „What the hell, it´s just music“. Sagt sie. Und macht. Und Strike und ich tanzen ganz verzückt und ich denke an Frost und tanze für sie mit, und noch einmal ganz ganz herzlichen Dank ans Skailight und Eric für die Tickets! Es hat 35 Jahre gedauert, aber it sure was worth the wait. Und dass es keine 3 Stunden dauerte – Sugar Kane wieder: Es kommt nicht drauf an wie lange man schaukelt, sondern mit wem man schaukelt.“

* Marilyn Monroe

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