Nach Betrachten dieser verstörenden Doku über Anneliese Michel erinnert, dass zeitnah in den vergangenen Jahren zwei Spielfilme sich des Falls der jungen Frau angenommen hatten, die Mitte der 70er zu Tode exorziert wurde – und dies nicht im übertragenen Sinn, sondern ganz sprichwörtlich. „Requiem“ rollt den Fall als Familiendrama auf, aber ohne den dörflich-intensiven Katholizismus explizit zu inszenieren. Dennoch reicht das, was an Religiösität dargestellt wird, dem Schicksal, das wir betrachten, die düstere Vornote zu geben. Der Film geht vorsichtig vor und schont sowohl die Hauptfigur, wie auch den Betrachter. An keiner Stelle sensationslüstern oder ausbeuterisch zeichnet er das Bild einer Familie auf dem Land, wie es sie auch in meiner Kindheit in der Nachbarschaft hätte geben können. Auch wertet oder urteilt der Film nicht. Was nun der ausschlaggebende Anlass oder die Erklärung für den Wahnsinn ist, der zum Tode der jungen Frau führte, muss man sich als Betrachter erschließen. Das wahre Grauen, das da in einem Kinderzimmer vor 40 Jahren stattfand, zeigt der Film gnädigerweise nicht, und das ist es, was ihn wertvoll und würdevoll macht. Alle Darsteller liefern herausragende Leistungen, die Regie und das Production Design sind erstklassig – „Requiem“ hat wirklich jeden Filmpreis, de ihm verehrt wurde verdient.
Ob es Teil zwei zu diesem Schicksal geben wird enscheide ich heute Abend, wenn ich die amerikanische Adaption gesehen haben werde.