In der Lower Weserstraße die Cousine, ihre Tochter und deren Boyfriend abgeholt, und dann zu Fuß durch Upper Neukoelln. To get a vibe for your new hood musstu schon zu Fuß durch. Sonnenschein. Düfte von Shisha über Bratkartoffel bis was-Ihnen-gerade-einfällt. Dieser spürbare Rumms, wenn Du von der Karl-Marx-Straße in eine Seitenstraße abbiegst, wo mit einem Mal ganz andere Menschen unterwegs sind, und wo es sich bei Läden nicht um Mobilfunkanbieter, türkische Abendmode und Schnäppchen-Heaven handelt, sondern, ganz altmodisch, Tabakwaren, Döner und Friseure. Zwischengestreut ein veganes Mini-Café, weil, das macht man jetzt eben in Neukoelln. Das ist ja Berlin – der KONTRAST. Jeder Bezirk eine Welt für sich. Und jeder in sich noch einmal gebrochen, man kann Entdeckungen machen und ein paar will ich der Verwandtschaft, jetzt auch Nachbarschaft, vorwegnehmen. Also von der ziemlich lauten, rempligen Karl-Marx in einen unscheinbaren Hauseingang und dort ins Café Rix, das schon in den Jahren in denen ich in Lower Neukoelln lebte, meine Lieblingsanlaufstelle war. Damals auch die einzige in dem Kiez. Der Ballsaal ist noch immer beeindruckend, wenn auch ziemlich nachgedunkelt, aber das Wetter ist schön, also setzen wir uns in den Hof. Ich habe meine Cousine in all den Jahren selten gesehen, wir wohnten zu weit auseinander, aber ich komme mit ihr immer schnell ins Gespräch, um so mehr freue ich mich, dass ihre Tochter jetzt hier wohnt und wir uns häufiger sehen werden. Das Pärchen vom Nebentisch macht einen Abstecher hinter eine Abzäunung in den Hinter-Hof und kommt kurz später sichtlich beeindruckt zurück. Bevor wir gehen, schaue ich auch mal nach und siehe da-
Für die oberen beiden Stockwerke würde ich sogar den Parkplatzhorror auf der Karl-Marx in Kauf nehmen. Na ja, Neukoelln müsste mir etwas entgegenkommen und die Straße in V.Karl-Marx-Straße umbenennen.
Wieder Zuhause weigert sich das Fahrerfenster meines Autos, sich schließen zu lassen. Das kenne ich von früheren Hyundais, also versuche ich es mechanisch, d.h. per Hand. Ich habe aber immer nur eine Hand frei, weil ich mit der anderen den Fensterhebeknopf betätigen muss, es bringt also nichts. Mit offenem Fenster will ich den Wagen nicht stehen lassen, also fahre ich zur nächsten Tankstelle, vergessend, dass Tankstellen ja nun nur noch Tankstellen mit Späti- und Tankfunktion sind – Mechaniker waren mal. Neben mir stehen zwei Taxen und deren beiden türkische Fahrer, die in ein Gespräch vertief sind.
„Entschuldigung, hatten Sie das auch schon mal, dass ihr elektrisches Fenster sich nicht mehr schließen ließ?“
Beide nicken verständnisvoll. Während ich den Fensterhebeknopf drücke, ziehen Sie die Scheibe nach oben und gehen zu ihren Wagen zurück.
„Hey warten Sie mal – ich würde Ihnen gern-“
Aber sie winken ab, und so hebe ich nur die Hand zum Gruß, als ich abfahre.