JENNIFER EGAN: „LOOK AT ME“

Charlotte Swenson, Mitte 30, Model (mehr so Werbung als Mode) verliert ihr Gesicht bei einem Autounfall. Selbst nach sorgfältiger und erfolgreicher Rekonstruktion – sie sieht aus wie neu – gibt es ein Problem. Charlotte sieht nicht mehr aus wie Charlotte, selbst Freunde und ehemalige Mitarbeiter erkennen sie nicht mehr. Ihre in Illinois lebende Jugendfreundin Ellen hat andere Probleme – ihr Sohn hat eine schwere Krebserkrankung hinter sich, nach einem Jahr wird sich zeigen, ob der Krebs wirklich besiegt ist. Seine unscheinbare sechzehnjährig Schwester (ebenfalls) Charlotte erlebt ihr sexuelles Erwachen mit Michael West, einem Mathematiklehrer, den sie sich krallt und der nicht so recht weiß, wie ihm geschieht. Aber geschehen lässt er´s. Indirekt ermutigt (er weiß nicht, dass Charlotte in einen 30jährigen verliebt ist) wird Charlotte durch ihren Onkel Moose, einem gestürzten College-Professor:

„You´re young,“ he said. „Go enjoy yourself. Grab pleasure wherever you can find it.“
„But what if people turn against me?“ she said, standing very near him under the trees. „What if they laugh?“
„Then leave them behind,“ Moose said, rising to his feet. „Don´t let them shame you; shame is the world trying to break you, and you have to resist. You have to resist.“

Dann gibt es in einer gelungenen (und gar nicht nervigen) Noir-Hommage den Detektiv Halliday, der Model-Charlotte kontaktiert, auf der Suche nach einem mysteriösen Mann, Z, mit dem sie vor dem Unfall liiert gewesen ist. Und es stellt sich die Frage, was Charlotte nun mit ihrem Leben anfangen soll. Ein verlockend lukratives Angebot kommt von dem jungen Unternehmer Tim, der Charlottes Geschichte für ein multidimediales Reality-Projekt gewinnen möchte.

Look at me von Jennifer Egan ist ein sprach- und gedankenmodellgewaltiges Buch aus dem Jahr 2001, unlängst neu veröffentlicht, das mit großen amerikanischen Themen arbeitet. Identität, Selbstfindung, the pursuit of happiness. Ein Roman, der sich und seinen Figuren den Raum und die Zeit gibt, die sie verdienen. Die vernetzten Schicksale der Protagonisten fügen sich unaufdränglich zu einem großen, ziemlich kaputten Ganzen zusammen. Absolutes Lesevergnügen, geziert auch noch vom vielleicht besten Cover, das man sich für dieses Buch wünschen könnte.

Vor über 10 Jahren zuerst veröffentlicht*, zeichnet der Roman ein erschreckend zutreffendes Bild unserer heutigen Medien- und Netzrealität.

Dringend lesenswert!

Look-At-Me-

Danke an http://leseglueck-berlin.de für die Empfehlung!

*Vermutlich neu veröffentlich wegen des großen Erfolges von (und Pulitzer Preis! für) A Visit from the Goon Squad.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert