DOUGLAS DUMBLEDORE oder GENERATION XXX

„It has been said, by someone far wiser than myself, that nobody is boring who is willing to tell the truth about himself. To narrow this down further, someone equally wise said that the things that make us ashamed are also the things that make us interesting.“
(Douglas Coupland, „Eleanor Rigby“)

caryrandy
Die entzückendste Junggesellen-WG Hollywoods.

Ich lese jetzt seit zwei Wochen an „The Gum Thief“, also kann etwas nicht stimmen. Ein neuer Coupland ist normalerweise in zwei, maximal drei Sitzungen durch, und wenn ich eine Nachtschicht einlegen muss. Dieses Mal zündet der Funke nicht, aber das liegt vielleicht daran, dass ich mit Coupland gerade etwas entsetzt bin. Frau Choc schickte mir unlängst den Link zu einem Interview mit meinem Lieblingsautor. Darin erfuhr ich, zehn Jahre seit ich das erste Mal etwas von ihm gelesen habe, dass er schwul ist und 2005 sein Coming out hatte. Mir war etwas merkwürdig bei dem Gedanken, ich konnte das Gefühl aber nicht so richtig orten, formulieren. Ich dachte an all die schönen Bücher, die ich von ihm gelesen hatte und stelte fest, dass Schwule darin nicht vorkommen. Dass auch mit Sex sehr sparsam umgegangen wird. Und das fand ich dann rückblickend vor dem Hintergund des Outings – schade. Es gibt Künstler, Performer, die ihr Schwulsein verschweigen und denen fehlt dann auch prompt etwas in ihrem Act. Der Sex, der ja ein Stück Weltlichkeit ist. Lass den außen vor und Dein Rezept ist verpfuscht. A laugh and a cry. A cry and a tap to the foot. Da fehlt was. Glaubwürdigkeit. Da findet eine ganz starke Abkapselung statt, zu solchen Menschen findet man schwer Zugang. Think Jodie Foster. Couplands Bücher haben mich berührt (der „Gum thief“ bislang nicht), aber jetzt ist da irgendwie ein seltsames Vorzeichen, auch bei allem Verständnis dafür, dass „Generation X“ nicht eine ganze Generation betitelt hätte, wenn es ein schwuler Roman geworden wäre. Schade. Schande.
Ich hatte gedacht, gehofft, dass die Zeiten, in denen zwei Männer zusammen leben und diesen Status als Junggesellen-WG verkaufen müssen vorbei sei. That old Hollywood is over.

Schaut mal Dumbeldore. Die Rowling musste bis zum Abschluss der Potter-Reihe warten, bis sie eine ihrer Figuren outete. Und die Figur, da verrate ich nichts, ist schon im vorletzten Band gestorben. These are the latest literary coming outs ever.

6 Gedanken zu „DOUGLAS DUMBLEDORE oder GENERATION XXX

  1. wortschnittchen

    Ich hatte es vermutet, als ich ihn 2001 in einem Interview erleben durfte. Allerdings auf eine sehr unprätentiöse Art, wie auch die ganze Person Coupland einen sehr zurückhaltenden, fast schüchternen Eindruck machte. Vielleicht ist ihm der Fakt, schwul zu sein, einfach nicht wichtig genug, um ihn in der Öffentlichkeit breit zu treten?

    Seine Bücher gefallen mir hauptsächlich wegen der ironischen Distanz seiner Protagonisten zu ihrer Umwelt – und wegen ihrer Menschlichkeit. Coupland ist vielleicht eine immer wiederkehrende Karnation seiner Hauptfiguren (machen das Schriftsteller nicht sowieso immer: über sich selbst schreiben?).

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  2. kittykoma

    ich verstehe, daß dich das so beschäftigt. ich wälze es komischerweise auch seit einer ganzen weile im kopf herum.
    ich mochte coupland gerade wegen seiner sonderbaren asexualität. dort, wo die anderen ihre figuren den frauen auf die titten, den männern auf die ärsche starren und sie schnaufend kopulieren lassen, ist bei coupland ein kindliches, unschuldiges nichts. eine ahnung vielleicht, eine projektionsfläche, die vom leser selbst gefüllt werden kann.
    vielleicht ist es so, wie wortschnittchen vermutet.
    ich bin in meinen unterstellungen gnadenloser. bei einem schriftsteller, der einen internationalen markt bedient (und das muß man wollen, das passiert nicht einfach so), ist ein literarisches outing eine entscheidung. plötzlich steht man in „another country“ (ja, in dieser hinsicht lande ich immer wieder bei baldwin). identifizieren können sich dann nur noch 10-15% der leser aus eigenem fühlen und erleben, weitere 10% durch einfühlung. die entscheidung, nur noch ein viertel der leser zu erreichen oder bei ihnen in den exotenstatus zu rutschen, ist tiefgreifend.
    in andere einfühlung kommt man nur durch vexierspiele. ein schwuler mann wird sich wahrscheinlich sich in heterosexueller literatur mit den frauenfiguren identifizieren. eine hererosexuelle frau in schwulen geschichten per projektion das erleben, was sie sich nie wagt. aber sobald es in bindungen geht, klassische soziale formen annimmt, funktioniert das nicht mehr oder nur bei wenigen.
    bei baldwin, der genau diese kluft zum thema gemacht hat. zwischen rassen und sexuellen orientierungen – und das scheitern klassischer bindungen thematisiert. scott fitzgerald, weil seine figuren so synthetisch und fotografisch genau sind wie ein hopper-gemälde.
    ganz am rande: das ist auch genau das thema, das mich mit diesem jungen mann beschäftigt, von dem ich dir erzählte.

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