GLAM – DOWN THE RABBIT HOLE

Ist doch klar, dass man im Anschluss an so eine Party erst mal in ein Loch fällt. Man kann sich ja nicht jeden Tag durch ein Spalier aus Vertrauten umarmen. Aber wenn ich in die Wohnung komme und schau in mein leeres Zimmer oder sehe den Fremden, der sich eingemietet hat – then I start to feel a little lost. Dann wieder ist das Loch ein Kaninchenbau, ich taumele, an mir vorbei fliegen Zigaretten, Scientology-produzierte Horror-DVDs, Steuererklärungen, Nahrungsmittel, die ich diese Woche nicht zu mir genommen habe, Lilienduft wirbelt Alices Rock hoch, Wind rauscht durchs Blondhaar, da ein Foto von Marilyn, und ich reiße die Augen auf und schlage auf und es tut nicht weh. Vielleicht. Nur ein bisschen. Da stehen die Fläschchen zum größer werden, da die zum kleiner werden. Hier war ich schon mal. Oft. Aber früher hatten die Fläschchen Korken und ich keinen Zieher. Dann streiche ich die weiße Schürze überm himmelblauen Rock glatt, schüttele den Lilien- und Diamantenstaub aus dem Haar und ein paar Buchstaben, die, sich dahin verirrt haben und die früher mal Worte waren, aber sich im Sturz verloren haben wie Titanic-Flüchtlinge beim Untergang. Sie suchen sich. Sollen sie. Ohne mich. Ich kann grad nicht. Diese Mal finde ich Heidis magischen Korkenzieher in meinem kleinen Täschchen und die richtige Dosis aus den Größer und Kleiner-Fläschchen und mein Handy macht eine scheppernde Bewegung. Die kleine Tür geht auf, ich gehe raus, es ist Abend, aber noch hell. Ich habe es sogar noch geschafft, mich umzuziehen. Das blaue Kleid war wirklich zu Disney.

Ich sitze unter eine gewaltigen Kastanie. Orange und überirdisch schlottert die Ubahn in ihren zu dünnen Gleisen an der Kirche vorbei. Die beiden Jungs, die ich zuvor erst zwei, dreimal gesehen habe setzen sich zu mir. Reisende, die ein paar Monate, Jahre Halt machen. Beide Hetero, beide mit dem Gehen-Gen versehen. Ich habe ja nur das Bleiben-Gen. Wir haben zunächst einmal nichts gemein außer der Biene, die mal hier, mal da landet und unsere Leben beflügelt. Es ist sicher auch der Biene zu verdanken, dass diese beiden Jungs nun meine Nachbarn sind und wir hier sitzen und reden. Als ich I. das erste Mal traf, wir hatten kaum gesprochen, aber irgendwann, als es draußen hell wurde und nur noch eine handvoll Versprengter auf seinem Wohnzimmerboden saß, da hatte er seine Hand auf meinem Oberschenkel und streichelte ihn vertraut rückversichernd und gänzlich unsexuell. Das hätte sich seltsam anfühlen können, aber es stimmte. I. und E. berichten von einer Schlägerei, in die sie kürzlich verwickelt waren. Wie so oft in Berlin ging es um Parkplätze und religiöse Differenzen. Sie werden mir noch sympathischer. Dann reden wir über Wasser und Seen und ich erzähle, dass man sich beim Kajak-Paddeln ein kleines Glöckchen im Bauchnabel vorstellen soll, das bei jedem Ruderschlag „Pling“ macht. Der Torso macht die Arbeit, nicht die Arme. Sie wollen wissen wie die Party war und ich sage „Ist doch klar, dass man im Anschluss an so eine Party erst mal in ein Loch fällt.“ Nur, dass ich es auf Englisch sage.

Zwei Stunden und zwei Bier später nehmen wir uns zum Abschied in den Arm. Ich gehe um die Ecke, überquere die Wiener, gehe meine Straße entlang, begegne niemandem. Dann nehme ich die Stufen. Auf Höhe des dritten Stocks begrüßt mich schon der Lilienduft. Mittlerweile ist es Nacht.

5 Gedanken zu „GLAM – DOWN THE RABBIT HOLE

  1. Ebola

    Das Loch kenn‘ ich, aus alten Zeiten – wenn auch in einem anderen Zusammenhang. Damals fiel man da nach dem Genuss von ein/zwei bunten Murmeln grausam hinein. Zuerst ein Hoch, dann das Aufschlagen.

    Off.Topic:
    Schon mal in Istanbul gewesen?
    Wie ich deine Texte lese/verstehe, könnte eine Reise dorthin interessant werden für dich.

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  2. bomec24

    bebe,
    jetzt gehts dir wie dem fingerhut auf deiner terrasse, der eigentlich eine lupinie war und der an deiner party als einziger nichts getrunken hat – erinnerst du dich wie ramponiert der aussah neben uns? hatte ja auch keine sonnenbrille, der arme. aber ich wette, inzwischen gehts ihm sicherlich wieder besser… so wie auch dir bald.
    der fahrtwind und die musik von bebe haben meine berlinabschiedstränen schnell getrocknet. die melancholie aber hält an, besonders wenn ich auf meiner neuen terrasse sitze, hinter geranienkästen hervorschiele und die hässliche kleinstadt betrachte, in der jetzt meine tshirts und meine bücher wohnen.
    sei nicht traurig, mein lieber glam, kämm die buchstaben und den diamantstaub aus deinem haar, setzt dich in deine hollywoodschaukel, streichel die lupinie und richte dich an ihr wieder auf. und an deinen freunden, die nicht nur auf deinen parties bei dir sind, sondern auch sonst. auch wenn sie zufällig nicht mehr auf der anderen kanalseite leben, sondern hinter geranienkästen oder auf dem balkan.
    lovely greetings and sunshine from here
    bomec

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  3. glamourdick

    REPLY:
    baby, that´s what i´m doing. die treppe hochgehen. aufrichten. wie der lupus, der noch nicht wieder in topform ist, aber er wird. die bee und ich haben beschlossen, dass es diesen sommer viele parties geben wird (nicht, dass eine mit der vom letzten samstag mithalten könnte). der strike hat mich zum kanuten gemacht und ich liebe den see und der see liebt mich auch. cue georgette: „hörst du wie er nach mir brüllt“. vorhin bin ich durch die straßen gegangen, angebrannt und ungeschminkt – aber das ist eigentlich schon wieder ein eintrag für sich.

    don´t be melancholy, because you know you always have a home here. and there. and everywhere you choose. es wäre auch gemein, dich für berlin allein zu beanspruchen. spread your stardust, baby! and DO be melancholy. das kann nämlich auch ganz schön sein, wenn sonst alles so ziemlich im lot ist.

    from under the sickle moon,

    glam

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