DATING AGAIN

Samstag. Nach 5 Stunden See schaut es mich recht angebrannt aus dem Spiegel an. Ich könnte ja jetzt was drüberschmieren, dafür ist Make-up ja erfunden. Dann denk ich „Lass es sein“ und geh ungeschminkt zu meinem Date. Und ich meine Date, also nicht zum Ficken. Treffen in der Öffentlichkeit zwecks Kennenlernen. Die Begutachtung durch den jungen Mann fällt positiv aus. Er will mich wiedersehen. Aber ich ihn nicht. Die Vorzeichen waren eigentlich schon glasklar: „Kannst Du mich anrufen, ich hab grad kein Guthaben mehr auf der Karte“; Die Telefonstimme eine Art Singsang; kaum dass er sitzt, baut er sich einen Joint; sein Parfum – ich mag seinen Geruch nicht. Und dann findet er mein Blond auch noch zu golden. Ich erkläre ihm, dass es sich nicht um eine Haarfarbe handelt, sondern um ein Statement. Und ich bleibe bei dem Entschluss, den ich nach meinem allerersten Homosex mit 16 gefasst habe: Nie wieder Frisöre.
Kein Drama. Er steigt auf sein Klapprad und fährt zurück in den Friedrichshain.

Auf dem Rückweg durch den Park wird es dunkel, es ist noch angenehm warm und ich geh die Wiener Straße entlang, überall vor den Imbissen, Bars, Kneipen sitzen Menschen und schauen Fußball. Es sind viele Passanten unterwegs, Samstagabend-Kastanienallee-Niveau, und sie müssen den Fahrradweg benutzen. Das Mysterium Fußball wird sich mir nie erschließen, aber wenn es dazu führt, dass große Menschenmengen friedlich zusammen sitzen, dann kann ich schlecht etwas Böses sagen. Trotzdem: meine Vorbehalte bleiben.

Sonntag. Das gestern frontale Verbrannte ist nun eine satte Bräune. Rückwärtig bin ich dank eines weiteren Tages auf dem See rosa, aber das wird. Herr Strike und ich betreten das Gartenlokal in dem wir eine Verabredung haben.
„Hoffentlich schauen sie nicht Fußball.“
Schweigende Leute, die alle etwas gelangweilt auf die Leinwand schauen.
„Ich fühl mich immer, als ob ich störe, wenn ich wo hinkomme, wo Fußball geschaut wird.“
Ein weißes T-Shirt regt sein hässliches Haupt:“Kannste die Unterhaltung vielleicht woanders führen ey – Du stehst mir im Bild.“
Nicht nur vielleicht. Garantiert. Celebrate your shit. But without me.

Mein morgiges Date macht Yoga. Und raucht. Ich mag große Männer, wenn ich neben ihnen laufe und so schräg zu ihnen aufschauen kann. Außerdem sehen sie meine Nasenhaare nicht. Kleine Männer allerdings machen mich geil, weil es im Bett irgendwie praktischer ist, wenn alle Körperteile mit einem Handgriff erreichbar sind. Der morgige ist 1,70 und sieht zuckersüß aus. Alles weitere, was ich von ihm hier berichten könnte, würde ins Pornografische abgleiten, (vielleicht sollte ich doch endlich einen Porno-Blog betreiben). Ich bin gespannt auf seine Stimme.

13 Gedanken zu „DATING AGAIN

  1. ruhepuls

    Gestern über absolute Nogos diskutiert und heute morgen erneut darüber nachgedacht, dass er niemals kleiner sein dürfte als ich. Auch wenn ich da immer die aufgebrachte Stimme eines Freundes im Ohr habe, der eben gerade mal so 1,70 gross ist und es nicht schlimm findet, wenn eine Frau grösser ist als er, es aber schlimm findet, dass es Frauen wie mich stört, wenn Männer kleiner sind als sie. Aber wenn ich mich ohnehin schon nicht zierlich fühle, dann will ich nicht noch einen Mann neben mir haben, der dieses Gefühl noch unterstreicht.
    Dein letzter Abschnitt lässt mich dies nun allerdings noch einmal überdenken. Ein kleinerr Mann würde auch den nachwachsenden grauen Haaransatz nicht so schnell bemerken wie andere Männer..

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  2. timanfaya

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    dort. ein durchweg bemerkenswertes buch. der satz fällt, als hitler „elf uhr dreißig“ trifft, seine zukünftige lebensgefährtin. das buch ist anfangs nicht unzäh, da sehr unspektakulär. aber herr schmitt – den ich zum ersten mal lese – schreibt ganz wundervoll. ich bin so bei 2/3 – und langsam werden die dinge in unheimlicher form spannend …

    p.s.: das buch verzögert. die fragen rund um die sehr glaubhaft erzählten geschichten tauchen erst stunden oder tage nach dem lesen auf. im prinzip stellt es gedanklich alle grundfesten unseres lebens in frage. so zumindest bei mir.

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  3. kittykoma

    das beuteschema hindert uns, 80% der leute überhaupt wahrzunehmen, die mental, charakterlich, sexuell, kulturell etc. pp. zu uns passen könnten. da schließe ich mich nicht aus. unter 1,85 m geht garnix. diese vorliebe teile ich leider mit dem überwiegenden teil der frauen. mit dem einen teil, der selbst groß ist und mit dem teil, der sich, wie ich, filigran, weiblich und geborgen fühlen will.
    und für die großen langen bin ich dann meistens noch zu breit und zu groß, weil mann sich neben einem size zero-püppchen noch mehr profiliert.
    sch… darwinismus. ein freund von mir hat mit vorliebe in den verschmähten randgruppen gesucht. mauerblümchen und große, dicke mädchen sind treu, begeisterungsfähig und dankbar, meinte er immer.

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  4. luckystrike

    REPLY:
    hast du wooohl! lange haare, surfertyp, ein bissel durcheinander, und ab geht das glammie!
    (was nicht heißt, daß du nicht nach rechts und links und oben und unten guckst)

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  5. timanfaya

    REPLY:
    meinen neuen lieblings romansatz hat der autor letzte woche irgendwo in der mitte abgefackelt: „sie erinnerte mich an meine zukunft.“

    [klingt allein vielleicht etwas platt, hatte im kontext aber echte größe]

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