(Rodent-)TEARS OF A CLOWN

Wenn man „Grey Gardens“ gesehen hat und „Grizzly Man“, dann liegt die Messlatte hoch, für eine Dokumentation, die auf Festivals ein Achtungserfolg gewesen ist. „Joan Rivers: A Piece of Work“ kommt nicht an die zuvor genannten heran und ist dennoch ein unterhaltsamer Film.

Ich schätze, Joan hält sich für uneitel, Einblicke in ihr Leben zu liefern, in dem es beruflich gerade nicht so gut läuft. Aber sie sagt ja selbst, sie würde alles machen – sich die Zähne rausschlagen und Werbung für Dritte machen, eine Windel anziehen – Hauptsache Arbeit. Dabei ist es doch der Höhepunkt der Eitelkeit, wenn man sich dem Betrachter in einer schlimmen Verfassung zumutet und trotzdem oder gerade deshalb erwartet, geliebt zu werden. Ich spreche aus Erfahrung! Und deshalb liebe ich Joan Rivers schon wieder. Sie ist so overblown und drüber, dass es eine unreine Freude ist. Sie hat sich dermaßen überstilisiert und die Ups und insbesondere Downs ihrer Karriere immer wieder so amerikanisch selbsthilfe-mäßig abgehandelt, dass ich den Hut ziehe. Sie verkörpert die Maxime meines Großvaters – es geschieht nichts so Schlechtes, als dass man nicht einen Nutzen daraus ziehen könnte.

Unangenehm wird es, wenn man Joan Rivers nicht Joan Rivers sein lässt – das bekommt ein Gast in Wisconsin* zu spüren, der ihr Programm nach einem Helen Keller Witz stört.
„That´s not funny – my son is deaf.“
Joan zögert, aber nicht lange: You son of a bitch you fucking son of a bitch wannna tell me what´s funny?
Die nächsten Minuten muss der arme Mann eine Tirade über sich ergehen lassen, die einzig klar macht, dass Joan Rivers Energie, ihr „Humor“ hauptsächlich von Wut gespeist wird. Wut, Frustration, Selbsthass. Das soll bei Comedians und Comediennes häufiger vorkommen (ich erinnere mich daran, die Dschungelkönigin** in einem Programm erlebt zu haben, wo sie unterbrochen wurde und dem zahlenden Gast androhte „seinen Mikropimmel an die nächste Lifasssäule zu schlagen“.)

Die kleinen Vorführungen, die der Film bereit hält, die wird Miss Rivers mit ihrem angeschlagenen Selbstwert und der deshalb überdimensional angelegten und zurechtgeschnurrten Persona nicht begreifen. Dass, wenn Tränen fließen, eigentlich immer nur Selbstmitleid der Grund ist (als sie beispielsweise ihren Manager feuert und dann lamentiert, wie sehr es ihr fehle, jemanden zu haben, der sie schon ganz lange kennt. Kein Gedanke, an den Ex-Mananger und seine Gefühle. Schade, dass die Regisseurin hier nicht bei ihm nachgehakt hat.)

Wie in „Grey Gardens“ und „Grizzly Man“ geht es auch in „A Piece of Work“ um eine großartige Exzentrikerin, die ihren Platz in der amerikanischen Kultur hat. Es ist gut, dass es Joan Rivers gibt, aber ich möchte nicht eines Tages als Joan Rivers aufwachen. Roomie allerdings gab, als ich mich über Joans gewöhnungsbedürftig operiertes Gesicht äußerte, zu bedenken: mit 75 wie 75 auszusehen, also alt, ist auch nicht so schön. Dann kann man auch gleich die Sau rauslassen. Und das hat Joan Rivers für die amerikanische Frau auf der Bühne erfunden. Und sie hört und hört und hört und hört nicht auf. Well done!

*Ihren Chauffeur in Wisoconsin fragt sie, wie denn hier die Gay Scene so sei. Das wisse er nicht, antwortet er. „You killed em all?“ fragt sie zurück und dafür muss man sie dann schon wieder lieben.
** Auch eine Frau, die´s nicht mehr merkt und die eigentlich nicht in einen Beitrag über Joan Rivers gehört, weil zwischen den beiden in der Ausführung ihres Handwerks qualitativ Welten liegen. (Was man insbesondere dann merkt, wenn sie Joans Witze als ihre eigenen vorträgt.)

4 Gedanken zu „(Rodent-)TEARS OF A CLOWN

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