FATHER AND SON

2 1/2 Stunden im Auto verbracht. Die Eltern von der Messe abgeholt, nach Mitte gefahren, die Eltern zur Messe zurück gefahren, dann im Schritttempo auf der Stadtautobahn nach Hause – man fragt sich, warum es rush hour heißt, wenn alle fast stehen. Soundtrack nur vordergründig monothematisch – erst Gitte, dann „Queen of Denmark“.

Erschrocken. Ich sehe meinen Vater hauptsächlich in seinem natürlichen Umfeld, in dem er sich souverän bewegt. Natürlich ist er alt und Dank eines harten Schmiedemeister/Metallbauerlebens auch körperlich beeinträchtigt, aber ihn in Berlin zu sehen, außerhalb seiner Welt, das war fast schmerzhaft. Ich habe mein Tempo runtergekurbelt und in Senioren/Touristen-Geschwindigkeit sind wir über die Friedrichstraße gelaufen – genau das Tempo und die Konstellation, die mich bei Fremden wahnsinnig macht, wenn ich zu Fuß unterwegs bin. Entschleunigt. Ich weiß, dass er das für mich gemacht hat. Er hasst die Stadt, aber er wollte mich sehen, und er wollte mir zeigen, dass er für mich da ist. Ich kann seine Besuche hier an einer Hand abzählen, und wir sprechen von über 20 Jahren.

Mein Vater hat Berlin schon als Kind besucht – irgendeinen Teil der Familie hat es hier immer hin verschlagen. Und, während im Heimatdorf der Wandel der Zeit, der Paradigmenwechsel einfacher zu ignorieren ist – hier haut es ihn aus den Latschen. Für jemanden, der in den späten 60ern geboren ist, ist es schon heftig, zu betrachten, in welche Richtung sich alles verändert. Wie muss das für jemanden sein, der in den 30ern geboren wurde?

Sitzen wir also in einem „typisch Berlinerischem“ Restaurant mit unfreundlicher Bedienung, und reden, als wäre das ganz normal, dass meine Eltern her sind. Lassen die Katastrophen der vergangenen Wochen außen vor. (Das letzte Mal, dass ich sie so erschreckt habe, war mit 14.) Und 14 treffen wir dann in Anke.
„Das ist doch das Mädchen, dass häufiger zu Besuch war, die ihren Vater so jung verloren hat. Da hattet Ihr Euch gerade kenne gelernt.“
„Ja. Das war Neunzehnhundert-“ Das Jahr, in dem Bowies „Tonight“ rauskam.
„Lasst uns kurz da reingehen, da arbeitet Anke.“
„Das ist aber schön Sie wieder zu sehen!“
„Das muss ja beinahe 30 Jahre her sein.“
Ich schlucke bei diesen ganzen Dekaden-Angaben, aber stimmt ja.

Früher gab es immer Bemerkungen über meinen Fahrstil wie – „Junge, nimm den Fuß vom Gas. Setz den Blinker. Fahr nicht so dicht auf.“ Jetzt, nicht ohne Bewunderung: „Um hier im Straßenverkehr zu überleben muss man ja Formel Eins-Fähigkeiten besitzen.“

Als ich meine Eltern an der Messe absetze, wo sie ihren Bus besteigen möchten, rennt ein Sicherheitsmensch auf mich zu.
„Hier können Sie aber nicht halten!“
„ES MUSS DOCH WOHL MÖGLICH SEIN, MEINE ELTERN HIER AUSSTEIGEN ZU LASSEN!“
Er bekommt ganz große Auen und der Polizist, einen Wagen vorher, schaut interessiert auf. Dann steigen wir aus, ich nehme meine Eltern in den Arm, drücke sie fest. Als ich wieder in den Wagen steige, sehe ich, wie mein Vater mit dem Sicherheitsmenschen redet. Der lächelt, nickt, schaut zu mir rüber und winkt mir beim Wendemanöver zu.

3 Gedanken zu „FATHER AND SON

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