„Dying is easy, it´s living that scares me to death“, so sang einmal Annie Lennox, und ich hätte ihr fast zugestimmt, bis ich gestern in einem epochal-großartigen, dreistündigem Radio-Portrait über die Autorin Irmgard Keun die logischere Formulierung hörte. Sie habe mal gesagt, vor dem Sterben fürchte sie sich, aber das Totsein stelle sie sich ganz schön vor. Der Mensch, mit dem ich in den vergangenen Monaten die meiste Sprechzeit verbracht habe, war gleichfalls begeistert von der Formulierung. Den Toten gehe es doch gut, schlecht sei es für die Angehörigen.
Was sie und mich desweiteren verbindet – unsere Lieblingebeschäftigung zur Zeit ist Schlafen. Da passiert uns nichts, und wenn, dann bekommen wir es nicht mit. Und weil sie nicht nur ein schlauer Mensch ist, sondern auch noch fürsorglich und umsichtig, hat sie für uns einen Geistheiler bestellt, weil wir die Hoffnung haben, spirituell vielleicht etwas aufgepeppt zu werden, um so auch die Wachzeten etwas erträglicher zu erleben.
In dem Alter, in dem sie und ich sind, wird der Tod eine immer stärkere Präsenz im Leben. Wir haben diese lächerliche Lebensspanne von vielleicht 70 oder 80 Jahren, und spätestens wenn wir die Hälfte davon erreicht haben, sterben die Menschen um uns weg. Da geht es uns wie allen anderen. Man schaut anders auf die Menschen im Umfeld, die ins bedrohliche Alter kommen. Man erlebt den Wegfall von Familienmitgliedern, der nicht selten fatale Konsequenzen für die Familie hat. Jemand stirbt, der ungeahnt ein Stabilisator war, und die Familie fliegt einem um die Ohren. Die Vorstellung, dass mein Vater auf uns runterschauen könnte momentan, wäre Horror. Wenn der sehen/ hören würde… „Doch still. Er ruht. Er ist am Ziel.“