2015. Willkommen, Bienvenu, Welcome.

Als ich und meine Homies nach Berlin kamen, da war schon immer jemand da, der sich um uns kümmerte, was Jobs Wohnung Einleben anging. Berlin war ja schon immer mehr als eine Stadt. Eine Haltung. Berlin war Solidarisierungsandockstelle. Das Prinzip wirkt noch immer. Als in ferner Vergangenheit zugezogenener Berliner ist man moralisch verpflichtet, die Berlin-Experience anderen zu ebnen, zu öffnen.
Über die Jahre haben dieses Privileg viele Freunde und Verwandte genossen. Später wurde es erweitert auf Couchsurfer. In diesem Jahr auf Flüchtlinge. Ich sage Flüchtling, weil ich das Wort für ebenso unfeindlich halte wie das Wort Liebling. „Flüchtlingsmädchen“ nannte mich mein erster Berliner Freund. (Freund im Sinne von Freund. Jemand, der genau das tat, von dem ich eben spreche – Weg-Ebner, Willkommen-heißer.) Ich kam aus einem feindseligen Umfeld, dem homophoben Dorf, in die große Stadt, in der ich sein konnte, wer ich wollte, wer ich war, no judgements, außer von ein paar Doofen, die es überall gibt.

Als ich von den Syrern erfuhr, der Art und Weise, wie unsere inkompetente Verwaltung sie behandelt, da fühlte ich mich hilflos, schämte mich und beschloss, etwas zu tun, etwas, was Berlin für mich ausmachte und ausmacht. Willkommenskultur. In fast 30 Jahren in Berlin habe ich nicht einen muslimischen Freund gefunden. Mittlerweile stehe ich als Berliner mitten in einem unreligiösen muslimischen Freundeskreis. Habe in diesem Umfeld Leute kennengelernt, deren Lebensmittelpunkt es momentan ist, zu helfen und da zu sein, zu begleiten. Und die besten Parties zu empfehlen (Letzteres können andere besser als ich). Arrival-Management könnte man die Rolle bezeichnen, wie gesagt etwas, das ich selbst geschenkt bekommen und immer wieder gegeben habe und das zur Zeit so, so wichtig ist. Ich erlebe im Freundeskreis, wie das abfärbt. Eine geschätzte Kollegin und ihr Sohn setzen sich noch stärker ein, organisieren wo sie können, sammeln, arrangieren, koordinieren, geben weiter. Es ist ansteckend. Ich erlebe, dass Menschen in meinem Umkreis auf mich zukommen, wenn sie meine neuen Freunde erlebt haben und fragen, was beispielsweise für den neuen Hausstand noch erforderlich ist. Meine Mutter und Schwester haben Wintermäntel gespendet. Die Kollegen Bettzeug, Bügeleisen, Handtücher.

Ich erlebe neue Berliner am Anfang. Da war ich selbst einmal. Anders als ich kommen diese Leute mit wenig bis gar nichts hier her. Schauen Sie sich bitte einmal in Ihrer Wohnung um und fragen Sie sich, welche Gegenstände überhaupt im Gebrauch sind und was nur rumsteht. Aber es geht nicht nur um Materielles. Der Mensch, den ich aufgenommen habe, seine Freunde – die werden gerade zur erweiterten Familie. Sie sind Teil der Berlin-Trek nächsten Generation und ich hoffe und glaube, dass ich ihnen das mitgeben kann, was Berlin und die Berliner mir gegeben haben, als ich ankam: ein Herzliches Willkommen, das so aus tiefster Berliner Seele kam, dass man glatt vergaß, hier wieder weg zu gehen.

Das einzige Fazit für 2015 für mich: ich habe dem Arschlochismus etwas entgegengesetzt. Und das fühlt sich gut an.

Heute vor zwei Jahren zitierte ich Rilke. Rilke, so sehen wir, geht immer: Es ist ein erhabener Anlaß für den einzelnen, zu reifen, in sich etwas zu werden, Welt zu werden, Welt zu werden für sich um eines anderen willen, es ist ein großer, unbescheidener Anspruch an ihn, etwas, was ihn auserwählt und zu Weitem beruft.

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