Weil es auch mich nicht loslässt.

Dass ich jetzt auch noch meinen Senf beisteuere – es tangiert mich und es geht mir nicht aus dem Kopf. Zahlreiche Freunde und Bekannte arbeiten für den Konzern und ich sprach mit einigen von ihnen. Jeder steckt es anders weg. Oder nicht. Wie würden Sie sich fühlen, wenn Sie in einem Krankenhaus arbeiten und einer der Ärzte steht plötzlich und unerwartet mit einem Maschinengewehr in der Cafeteria?

Unter Flugpersonal – ich kann nur von Flugbegleitern sprechen – herrscht ein Gemeinsamkeitsgefühl, wie ich es in keiner anderen Branche erlebt habe. Dass einige jetzt unter posttraumatischem Stress stehen, erlebe ich im Freundeskreis. Es wird sich um sie gekümmert. Aber auch die, die sich um die anderen kümmern, stehen unter enormem Druck. Wie soll man das Unfassbare fassbar machen? Wie fühlt man sich nach einem Tag, an dem man die Probleme, Sorgen und Ängste der Kollegen behandeln musste? Ängste, die auch die eigenen sind? Soll/ will man wieder an Bord gehen, nachdem die Grundfeste erschüttert wurden? Selbst eine brenzlige Situation, ein „regulärer“ Unfall oder Absturz kann bei Kollegen eine Angststörung zur Folge haben. Was fügt das Wissen darum, dass der Absturz mit Vorsatz von einem Kollegen/ Vorgesetzten verursacht wurde, dem Schock hinzu?

Wie kann es sein, dass einem so ein Mensch nicht auffällt? Anosognosie könnte die Antwort sein. Ein Attest und eine Krankschreibung reichten ihm möglicherweise nicht aus, zu begreifen, dass er krank und arbeitsunfähig war. Oder war es die Angst vor der Stigmatisierung als Geisteskranker? Wenn aber die Stigmatisierung und daraus resultierende Ignoranz solche horrenden Folgen annehmen kann, dann stimmt nicht nur mit dem Kranken etwas nicht, sondern vor allem mit dem Umfeld, vor dem die Krankheit verheimlicht werden muss. Das Umfeld stellt die Regeln auf.

Der Konzern ist nun traumatisiert, erkrankt. Die zwei-im-Cockpit-Regelung wird nicht verhindern, dass Geisteskranke oder Neurodiverse ein Flugzeug besteigen. Der Konzern kann sich allerdings darum kümmern, dass der Status einer psychischen Störung nicht mehr stigmatisiert wird und dass Betroffene Hilfe bekommen. Vor allem: wagen dürfen, diese zu suchen und in Anspruch zu nehmen.

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