Steht da so im Flur seit ich hier vor 278 Jahren eingezogen bin. Stand früher aufm Dachboden vom Haus, das ich mal erbe. Ich wollte ihn erlösen und weil ich zu blöd bin einen Dübel in die Wand zu schrauben (er ist heavy) stand er immer auf dem Boden. Spiegelte den Eingang. Müsste eigentlich überm Küchentisch hängen, um Wohlstand zu feng shuien. Nun ist da dieser Mensch, der mehr in diesen Spiegel als in mich verknallt zu sein scheint und ihm immerhin ein neues Leben schenken könnte. Ich habe noch nicht erwähnt, dass dem Spiegel in einem der äußerst seltenen Kämpfe in dieser Wohnung einige Ornamente abhanden gekommen sind. Die habe ich dahinter gefegt. Samstags beim Staubsaugen erinnere ich mich an diesen Kampf. Der Spiegel erinnert mich daran, dass Sachen zu Bruch gehen, ohne dass das große Bild im Hintergrund Schaden nimmt, denn der Mensch, mit dem ich mich geschlagen habe, ist nach wie vor (selten passt diese Wendung so gut wie hier), ein geliebter Mensch in meinem menschlichen Pantheon. Nun war es aber so, dass, als mich meine Eltern besuchten, besagter Spiegel meinem Vater als erstes auffiel – „Ach, der Spiegel von Sperlings Boden!“ Ich hab dann noch auf die Tassen aus Buntenbock, den Holzkoffer aus Lbg. usw. verwiesen, denn meine Wohnung ist überbordend voll mit Memorabilia. Auch das Hufeisen, das mein Dad mir zum 40. auf Holz montiert hat, das die Eingangstür schmückt – Ehrenplatz. Aber jetzt ist es so, dass der Mann, der in den Spiegel verknallt ist, wirklich schöne Pläne für ihn hat. Ein neues Leben als Bilderrahmen.
„Was willst Du denn damit rahmen?“
„Ich weiß noch nicht – ich hab keine ovalen Formate.“
„Na, denk mal um die Ecke! Und gedulde Dich. Steht Dein Name drauf.“
Eigentlich wollte ich ihn ihm vererben, aber wer weiß, wie lang es dauert, bis es soweit ist. Dann dachte ich – wenn die Eltern mal nicht mehr sind. Und dann – was ein Quatsch, wenn die von oben zuschauen ist es ja um so peinlicher, kann ich mich ja nicht erklären. Ick ruf mal meinen Dad an. Schönen Sonntach!
Der olle Spiegel
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