KIEZGRÖSSEN

„Kann ich Ihnen helfen? Ich hab Türschlossenteiser.“
„Das ist lieb, aber schaunse mal,“ – krame den Türschlossenteiser aus der Tasche, „schon probiert.“
Der Fremde stapft durch den Schnee zu seinem Auto zurück und ich versuche die nächsten 10 Minuten geduldig und gelassen, mein Türschloss dazu zu bewegen, dem Enteiser nachzugeben.
„Sie! Tschullung.“
Zwei Aisaten stehen vor dem Asiatischen Imbiss und deuten auf eine soeben angebrachte Leuchtreklame.
„Is richti?“
Ich lese und schau nochmal genauer.
„SpezIalitäten. Nicht Spezaltäten. Schaunse am Besten noch mal in den Auftrag!“
Sie lächeln und nicken und ich pruckele sensibel weiter am Türschloss. Bis es sich nach weiteren fünf Minuten tatsächlich öffnet, nur, allerdings, um sich daraufhin nicht wieder schließen zu lassen. Die Tür steht auf, und das zieht ordentlich Batterie, weil irgendein Schlaumeier mal eine elektrische Anzeige erfunden hat, die einem Autofahrer signalisiert, dass bei seinem Gefährt die Tür offen steht, als wüsste der das nicht selber besser. Mit der Linken halte ich die Tür geschlossen, mit der Rechten manövrier ich den Wagen aus der Parklücke und fahre schnurstracks zur Werkstatt meines Vertrauens. Die Anzahl von Abstellplätzen, so erfahre ich, ist begrenzt wegen einer Räumungsklage. Auch hier wollen Investoren Luxusapartments in Kanalnähe hochziehen.
„Aber Basti, ich krieg den Wagen doch nicht mal mehr abgeschlossen, was machen wir denn nu?“
„Wenn das Schloss innen nur vereist ist und nicht irgendein Teil abgebrochen, dann kriegen wir das mit Frostschutz hin. Halt mal das Tor zur Werkstatt auf, aber pass auf – ist arschglatt.“

Er pfeift und spritzt irgendwelche Lösungen in die Wagentür, prüft währenddessen die Scheibenwischanlage – auch eingefroren – füllt Minusgradwischwasser auf. „Wenn det bis morgen nicht klappt mit der Wischanlage, dnn bringste den Wagen mal über Nacht her, damit er in der Werkstatt auftauen kann.“
Dann macht er die Autotür zu. Und sie bleibt zu!
„Kate Bush!“
„Was?“
„Running up that hill im Radio!“
„Ach so.“
„Ja, und wow – super. Danke!“
In anderen Werkstätten hätte man dem Kunden verkauft, dass das Schloss hinüber sei und ein neues her muss – teure Ersatzteile, Wartezeiten, aber hier wird einfach das Problem erkannt, behoben und nicht abgezockt.
Ich reich ihm einen Zwanziger. „Nee, das ist zuviel!“ Und gibt mir nen Zehner raus.

I love my Kiez.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert