MARILYN IN PARIS, EUROPE

Spree-Britt und Arboretum wollten diese Info, here comes:

Ich glaube, es war 1999, als ich endlich einen Paris-Reisegutschein einlöste, den mir meine damaligen Arbeitgeber zum soundsovielten (3.?) Firmengeburtstag geschenkt hatten. Paris war für mich zunächst mal ne Stadt in Frankreich, deshalb schlug ich mich nicht darum, den Trip zu machen, aber als ich las, dass Marilyns Nachlass auf Reisen geht, in London und Paris präsentiert wird und in New York unter den Hammer kommt, da rief ich im Reisebüro an.
Ich war Marilyn-Fan, seit ich das erste Mal, so mit 6 Jahren, „Some like it hot“ im TV gesehen hatte. Meine erste Monroe-Biografie las ich mit 9 Jahren – da erfuhr ich, dass ich am selben Tag wie sie geboren bin und hielt mich eine gefährlich lange Zeit für ihre Wiedergeburt. (War ich erleichtert, als ich kürzlich 37 wurde!) Auf dem Flug nach Paris saß ich neben einer Ex-Stewardess, die fortlaufend Piccolos für sich und mich bestellt – ich kam schon betrunken an. Checkte in mein Hotel ein und lief durch die Straßen – ich hatte mich kopfüber verknallt. Paris. Wohin die Diven exilieren (Romy, Marlene, Ingrid…) und einige (Diana) ihr Leben lassen. Am Abend ließ ich mir wie der bekloppteste aller Touris, das Handy klauen.
Am nächsten Vormittag ging ich zu Christie´s und war überrascht, wie leer es war – außer mir vielleicht 30 Menschen. Und sah die Kleider der Kaiserin. Das spinnwebene JFK-Kleid, die Strickjacke aus der George Barris-Session in Santa Monica 1962. Gerahmte Bilder. Filmskripts mit ausführlichen handschrifltichen Anmerkungen. Puppen, die noch aus Norma Jeanes Kindheit stammten. Und in den Augen aller Betrachter Sehnsucht, Wehmut, aber auch kindliche Freude beim Erkennen und Zuordnen der Devotionalien.
Ein Gästebuch lag aus, ich blätterte und fand einen Eintrag aus Berlin „Ich bin extra aus Berlin angereist und habe mich Dir noch nie so nahe gefühlt.“ Der Zyniker in mir wollte darunter schreiben „und mir haben sie sogar das Handy geklaut.“ Aber das ließ ich sein. Denn ich war auch gerührt, berührt. Nicht so, dass ich in ein Christie Gästebuch eine Notiz an eine fast 40 Jahre lang tote Frau geschrieben hätte, aber doch schon sehr. Fast alle Einträge waren an Marilyn gerichtet.
Diese Devotionalien, die jetzt über die Welt verstreut sind, waren ja auch Versatzstücke aus meiner Kindheit und Jugend. Ich kannte alles von Bildern. Außer dem großen Brandloch im Saum des schwarzen hochgeschlossenen Kleides. Und das hat mein Marilyn-Gefühl vielleicht am besten charakterisiert – dieses verbrannte Kleid.
Als ich wieder auf die Straße kam, hatte sich eine Schlange gebildet, die um den ganzen Block ging. Mein Herz applaudierte jedem einzelnen.

Wie üblich, eine Fußnote. Nach einem sehr schönen Spontansex-Erlebnis kam ich mit dem Mann ins Gespräch, mit dem ich es gerade geteilt hatte. Er entpuppte sich als großer Marilyn Fan und stand neidisch vor meinem Bücherregal. Ich erzählte ihm von dem Christie´s-Gästebuch mit dem Berliner Eintrag.
Er: „Das ist ja ´n Ding! Das war ich!“

strickjacke
pic: g.barris

12 Gedanken zu „MARILYN IN PARIS, EUROPE

  1. schroeder

    Tolle Geschichte, toll erzählt… starkes Bild, stark eingefangen. Bin auch Marylin Fan seit ewig… bekomm sie nur akimbo mäßig nicht so recht unter. Aber muss ja auch nicht immer und bei jeder .-)

    Antworten
  2. glamourdick

    REPLY:
    die kleine m. ist auch keine akimba. leider. sonst gäbe es sie vielleicht noch. (obwohl… in the misfits, wenn sie versucht, clar die zügel zu entreißen… dann wieder, nein. wenn sie hilflos in die wüste rennt und „murderers, liars“ schreit. da ist sie wieder die hilflos wütende frau. akimbas sind ja alles andere als hilflos.)
    ich bin übrigens ganz erstaunt, hier so eine marilyn-begeisterung zu entdecken. spricht für die community!

    Antworten
  3. brittbee

    Ich liebe diese kleinen Zufälle, die einem niemand glaubt, der nicht Ähnliches erlebt hat. Was für eine schöne Geschichte.

    Die Fotos von George Barris sind wirklich die schönsten, die je von ihr gemacht wurden. Wobei ich die Cartier-Besson Pics in ihrer Melancholie auch liebe. Was ist es nur mit dieser Strickjacke? Ist es die Faszination, dass sie sie auf der nackten Haut getragen hat?

    Ich fand es ganz spannend, dass viele Leute unbedingt ihr Make up ersteigern wollten. Als würde ein Hauch von ihr an jedem Lippenstift kleben.

    Antworten
  4. at

    hab ich in paris zwar nicht gefunden – entdecke sie aber dort immer wieder aufs neue … *seufz* und die marilyn – kennst du das stück von unserm michael v.d.h.?

    Antworten
  5. glamourdick

    REPLY:
    ja, ich weiß – zuviel sex-konnotationen. und überlege, ob ich die nicht einfach mal weglasse. ich will nicht noch promiskuitiver rüberkommen als ich bin.

    Antworten
  6. glamourdick

    REPLY:
    die barris-bilder: da wirkt sie so entfesselt, berauscht (was sie sicher war – auf 30% der bilder hält sie nen champagner-kelch). ich liebe das bild, wo sie mit decke im sand sitzt, die hände verschränkt und einen komischen mund macht. und die jacke… am liebsten hätt ich sie gestohlen. dolce und gabbana haben vor ein paar jahren eine gemacht, die mir eindeutig von marilyns strickjacke inspiriert schien.
    das zerzauste haar ist auch einfach fantastisch. blondiertes haar und meerwasser, i love that. (nur nicht wenns mein eigenes haar ist).

    aber milton greene hat auch ein paar wunderschöne pics von ihr gemacht.

    das thema make-up wird bei meiner nächsten marilynpilgerfahrt behandelt… demnächst in diesem blog.

    Antworten
  7. glamourdick

    REPLY:
    und sie hieß marilyn…
    ein schönes kind
    ein scheues kind
    ein waisenkind…

    das hat er sehr schön gesungen, der michi. fast schöner als hilde knef selbst.
    auch sehr schön von ihm: comment t´oublier? paris c´est toi!

    Antworten
  8. brittbee

    REPLY:
    Die Fotos sind echt toll. Und Big Boss war most generous, mir den Bildband zum B-Day zu schenken.

    Na, das wird ja hier die reinste Serie! Ich freue mich drauf.

    Antworten
  9. arboretum

    REPLY:
    Das Ende dieser schönen Geschichte wollte ich aber nicht missen.
    Lassen Sie Ihre Konnotationen ruhig drin – oder wollen Sie etwa auch Ihren Namen ändern?

    Antworten

Schreibe einen Kommentar zu schroeder Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert