EARLY BERLIN

http://www.pbase.com/ul_photography/root&view=recent
(Early Glam in Neukoelln, ca 1990. By Uli Lindenthal.)

Die late 80ies/early 90ies also. Zerrissene Jeans über dünnen Beinen in bunten Leggings war der Lieblings-Winterlook. Sabine W. und ich behefteten unsere Lederjacken mit Postkarten und/oder Christbaumschmuck. „The Face“ hat mich fotografiert (und das Bild nie veröffentlicht – so werden manche Träume wahr und dann doch nicht). Ich jobbte bei H&M, verteilte Flyer, modelte ein bisschen und stand sogar dekorativ in einem schlechten Chabrol-Film herum. Dann „The Wall“ – zwei Sommerwochen, die mir quasi die Bundeswehr ersetzten, ich durfte einen „Speer-Carrier“ tanzen.
Ich schlief lang, ging manchmal zur Uni, wo ich amtlich Thomas Hardy, Angela Carter und Bram Stoker lesen durfte und sogar Bafög dafür bekam. Saß des sommernachts auf einem Müllcontainer vor der O-Bar, Southern Comfort trinkend. „Sunshine“ – das Wesen, auf das am Besten das Wort „alte Hippe“ passt, spukte durch die Clubs und Bars, aus denen die nervige Scheiß-Acid-Musik klang. Vogueing war eher mein Ding, das tat ich gemeinsam mit Sabine in einer Performance, lange bevor Madonna dieselbe Idee hatte (ich schwöre, dass sie Trendscouts bei der Veranstaltung hatte, denn der Blond-Ambition-Zopf war eindeutig von Sabine W. inspiriert.) Ich sollte Schneewittchenmäßig aus einem Glassarg herausschmettern, leider wurde daraus aus Materialbesorgungsgründen eine überdimensionierte Plastikfolie, aus der es sich nur schwer barst. Also robbte ich grazil zu meiner Performance. Übrigens waren damals keinerlei Drogen im Spiel, wir waren ganz jung, von einander begeistert und unschuldig umtriebig und feierten auch eigenenergetisch die Nächte durch.
Sabine W. hat sich eines Tages von ihrem „wilden“ Berliner Leben verabschiedet und distanziert. Sie hatte Angst, dass, wenn sie eines Tages berühmt sein wird, jemand erfahren könnte, dass einer ihrer Lover nach der Trennung von ihr das Geschlecht zu wechseln beschloss. Er heißt jetzt Marina.
Aus dieser Zeit sind mir meine beiden besten Freunde geblieben – Lucky und das Skailight. Und mit Uli, einem weiteren Early 90ies-Freund bin ich noch in Kontakt. Der Raketenprinz tauchte auch wieder in meinem Leben auf, sehr erfreulich. Und sogar Edward, der Mann, mit dem ich Taylor/Burton-mäßig zweimal liiert war, meldet sich noch dann und wann. So sind mir meine Berliner Anfänge noch recht präsent, auch wenn sie mir rückblickend wie ein Film vorkommen, in dem der Hauptdarsteller eine vage Ähnlichkeit mit mir hat. Performance-technisch habe ich irgendwann die Seiten gewechselt. Schreiben eben. Da kann man sich sehr gut drin zeigen und zugleich verstecken. Und mein Projekt macht mich ganz aufgeregt. Denn letztlich ist es ja das Gegenteil von Verstecken (oder ghostwriten, was mich einige recht Jahre gutbezahlt davon abgehalten hat „eigene“ Sachen zu veröffentlichen).

11 Gedanken zu „EARLY BERLIN

  1. glamourdick

    REPLY:
    „jude the obscure“ und „tess“ – auf alle fälle. den „mayor of casterbridge“ gibt es, in die staaten verlegt, in einer sehr schönen verfilmung. „tess“ von polanski ist auch sehr gut gelungen (und hat ebenfalls die wunderschöne nastassja kinski in der cast).

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  2. tradem

    REPLY:
    Warum „of the d‘ Urbervilles“ in der Übersetzung im deutschen Titel fehlt ist mir schlecherhaft. Die Titel der Bücher von Budowski werden schließlich auch nicht übersetzt.

    Hardy wurde mir von einer Berlinerin im ICE deren Tochter Theologie studiert empfohlen. Außerdem wählt die Protagonistin „Bea“ in „Schatten des Windes“ das Buch aus der „Friedhof der Vergessenen Bücher“ aus. Möglicherweise ergibt sich der Zusammehang nach der Lektüre dieses Buches.

    Für dein Vorhaben meine allerbesten Wünsche.

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  3. raketenprinz

    das war ein großes sich und die welt entdecken, ausprobieren, testen. einfach machen. es war fantastisch.

    und heute im rückblick: tatsächlich wie ein film. irgendwie unwirklich und doch vertraut. in einer stadt, die es nicht mehr gibt.

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  4. lore.berlin

    Schöner Text, wunderbares Bild. Sometimes i miss the early 90´s. Berlin, eine Stadt in der alles möglich war.

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  5. larousse

    Sehr schönes Bild, glam!
    Habe Berlin Ende der 80er kennen und lieben gelernt, um dann schlußendlich nach Westen statt nach Osten zu ziehen. Habe in der Zeit viel, oft und gerne Freunde besucht, was mich emotional sehr mit Berlin verbindet. Vielleicht wäre Dein Projekt eine gute Gelegenheit, der Stadt erneut einen Besuch abzustatten!?

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  6. luckystrike

    those were the days my friend,
    we thought they’d never end…
    you and me both blond, both models – amongst other things.
    ich finde es aber ok, daß es vorbei ist – ob ich damals glücklicher war? ich weiß nicht, ich glaube nicht.

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  7. glamourdick

    REPLY:
    sabine w. informierte mich telefonisch: „die ham die mauer einjerissen. snickers und schrippen sind aus.“
    ich darauf „werd nüchtern, lass mich schlafen.“

    dabei stimmte es. snickers und schrippen waren aus.

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  8. glamourdick

    REPLY:
    das würde mich sehr freuen, mlle larousse!

    das alte berlin und das neue berlin und das dazwischenberlin – das war mal schrecklich, mal wunderschön, aber immer immer aufregend. den mauerfall zu erleben, das zusammengegeneinanderwachsenunddanndoch wievereinnehmen – ich bin sehr froh, das alles hier erlebt zu haben. ick hab die olle scheißstadt lieb. die scheißwessis, die drecksossis, wenn der tach begjinnt jiebt et doch nur det eene: schrippen koofen!

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