TESS OF THE D´URBERVILLES

Glam war ja mal sehr sehr doll in Natsassja Kinski verliebt, so zwischen seinem 10. und 14. Lebensjahr. Die Bravo war schuld, denn dort wurde ständig über Nastassja Bericht erstattet. Sie war damals das, was gestern Avril Lavigne, vorgestern Britney Spears und heute Lily Allan sind.
So kam es, 1980, dass das Goslarer Kino den Film zeigte, der damals als Roman Polanskis größter Flop gehandelt wurde. In einer grausam heruntergekürzten 90 Minuten-Fassung. Und selbst in dieser Fassung war klar zu erkennen, dass es sich um ein Meisterwerk handelte und mit Nastassja eine Leinwandschönheit ins Rennen gegeangen war, mit der man zu rechnen haben würde. (Ich war übrigens der einzige Gast im Kino.)
Die Langfassung des Filmes lief dann irgendwann im Fernsehen und hat mich umgehauen. Mittlerweile hatte ich Hardys Roman gelesen. Ich habe noch nie eine Romanadaption gelesen, die originalgetreuer war als „Tess“. Außer vielleicht „Rosemary´s Baby“ – wenn Polanski einen Roman liebt, dann scheint sein Ziel zu sein, das Buch genau so auf die Leinwand zu bringen, wie er es im Lesen erlebt hat. Und, im Falle von Tess bedeutete das – lang! 190 Minuten hatte die erste Fassung (und ich vermisse sie, insbesondere die Szene, in der Tess ihr sterbendes Kind selbst tauft, weil ihr Vater den Priester nicht ins Haus lässt). Polanski gibt dem Auge Raum. Jede Totale könnte ein Gemälde sein. Die Langsamkeit der Erzählung unterstützt die Glaubwürdigkeit der Schicksalsschläge. Kondensiert auf 90 Minuten ist Tess´ Geschichte ein Sturzflug in die Hölle. Er gibt auch dem Herz Raum: wannimmer Tess eine neue Station auf ihrem Weg antritt, erleben wir mit ihr, wie sie sich in ihr Schicksal fügt, das Beste aus ihrer Situation macht. Um so brutaler wirkt es, wenn sie einen weiteren Abstieg machen muss.

Bei Tess kommt alles zusammen, was einen guten Film ausmacht: Eine bewegende Geschichte, eine Filmheldin, wie sie idiosynkratischer nicht sein könnte, ein authentisches Ensemble und eine Bilderwelt, die einen aufnimmt und zweieinhalb Stunden nicht loslässt. A star was born – und kein Regisseur nach Polanski wusste ihn vernünftig einzusetzen.
Schade, dass Nastassja in ihrerm weiteren Karriereverlauf selten Gelegenheit hatte, in einer vergleichbaren Produktion zu spielen. Und auch Polanski hat eine handvoll langweiliger Filme abgeliefert. Gut also, dass „Tess“ jetzt auf DVD erhältlich ist (wenn auch nur in der 164-Minuten-Fassung.) Der Herbst kommt, die Abende werden länger. Und wenn jemand Nastassja persönlich kennt: ich würde ihr gerne bei ihrer Autobiografie helfen.

9 Gedanken zu „TESS OF THE D´URBERVILLES

  1. lore.berlin

    Ich glaube, es ist für Kinder, berühmter Eltern immer schwierig, aus deren Schatten zu treten. Gerade wenn Sie denselben Beruf ausüben. Mag sein, dass sich viele Regisseure einfach auch nicht heran trauen. Schade eigentlich.

    Herrn Polanski bewundere ich für seine Stärke sehr, das Krakauer Ghetto zu überleben und den Doppelmord der Manson-Sekte, viele wären daran zerbrochen.

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  2. agnes34

    Auch ich habe den Film gesehen und ich freute mich, dass ich dich so authentisch darüber schreiben sah.
    Mir ging es damals genauso.Ich schaute mir nur Filme an ,wo diese wunderschöne Frau zu sehen war, die darüberhinaus Klasse spielte, umwerfend aussah, aber wohl zu gut und zu schön und überhaupt war.Vielleicht gabs in der Filmwelt auch zu viele Neider, ich habe mich oft gefragt wieso diese Wahnsinnsfrau nicht mehr Filme gemacht hatte.An ihr lags sicherlich nicht….denk ich mal
    Lg Agnes

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  3. glamourdick

    REPLY:
    was polanski angeht – der IST zerbrochen. kinder unter drogen zu setzen und durchzuficken, weshalb er bis heute in den staaten unter anklage steht, scheint mir ein deutliches zeichen dafür.

    „tess“ war sein letzter guter film. und dabei hatte er sharon tate im hinterkopf. nur, dass nastassja ungleich besser war.

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  4. lore.berlin

    REPLY:
    Oh je, da habe ich mich jetzt in ein Thema hinein manövriert. Ich bewundere ihn für seine Stärke nach dem was ihm passiert ist, überhaupt weiter zu leben. Ich glaube ich hätte mir den Strick genommen.

    Ja und natürlich hätte ich das, was ich der Nicholson Villa passiert ist, nicht unterschlagen dürfen, aber das steht für mich auf einem anderen Blatt seiner Biografie. Ich habe ein echtes Problem mit Pädophilen, soviel vorweg. Was dort wirklich passiert ist, können aber auch nur diese beiden Menschen wahrheitsgetreu wiedergeben. Wo war diese im nachhinein achso besorgte Mutter zu diesem Zeitpunkt? Was hat eine 13 jährige in einer Villa zu suchen, um Nacktaufnahmen von sich machen zu lassen ? Ein Geständis, um einen öffentlichen Prozess zu vermeiden und auch das Mädchen zu schützen, die Flucht, alles Dinge, die ihn schuldig sprechen und er hätte es besser wissen müssen, dass sie ein Kind ist, auch wenn sie sich seiner Meinung nach wie eine Lolita verhielt und den Eindruck erweckte, sich mit Dorgen und Sex auszukennen. Es gibt Dinge, die ufern einfach aus und wenn ich heute so in meinem Kollegenkreis herum schaue, haben sie Töchter, die vielleicht gerade mal 13 oder 14 sind, die Pille nehmen und Sex haben, mit Gleichaltrigen und auch volljährigen, weil es ihnen lieber ist, das sie nicht schwanger werden, als es zu verbieten und plötzlich mit einem Enkelkind da zu stehen. Wo will man den Moralhebel ansetzen ?

    Im Fall von Herrn Polanski, wo Geld und vielleicht Macht dazu kommen, sind schnell Aasgeier da, die ein großes Stück vom Kuchen abhaben wollen. Wer Schuld ist, möchte ich nicht entscheiden.

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  5. glamourdick

    REPLY:
    eine mutter, die ihr kind bei nicholson und polanski ablädt, ist sicher nicht ganz bei trost – und ganz klar ist da machtgeilheit im spiel. seitens der mutter. das ist ja, wie sich als frau nach einer party von einem kennedy nach hause fahren zu lassen. die dummheit und fahrlässigkeit der mutter entschuldigt aber nicht das verhalten polanskis.

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  6. lore.berlin

    REPLY:
    Nein, das entschuldigt gar nichts. Habe ich ja auch geschrieben. Er ist dafür verantwortlich, was er getan hat.

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