NATURAL GLAM oder THERE IS A LOT TO BE LEARNED FROM BEASTS*

grizz

Ich wusste es bis gestern nicht, aber das vergangene Jahr sollte mir ein Tryptichon schenken. Gestern nun wurde es vollständig. Über „Grey Gardens“ und die „Peter Berlin Story“ habe ich schon ausführlich berichtet. Teil drei in der Serie um liebenswerte Wahnsinnige schaute ich mir gestern an: Werner Herzogs „Grizzly Man“. Über Timothy Treadwell hatte ich schon vor ein paar Jahren im Vanity Fair gelesen. Ein knuffiger Amerikaner, Typ Surfer, der mit seiner Lebensgefährtin Amie die Hälfte des Jahrs in Alaska mit Grizzly-Bären in freier Wildbahn verbringt, um auf die Gefährdung der Art hinzuweisen und sie „zu beschützen“ und der sein Leben in der Wildnis mit der Videokamera festhält. Im VF las sich das alles in erster Linie heroisch, bewundernswert. Und dramatisch, denn Timothy Treadwells Geschichte endet im Jahr 2003, als er und seine Lebensgefährtin Amie von einem Grizzly sprichwörtlich in Fetzen gerissen werden. Üblerweise läuft auch zu diesem Zeitpunkt die Kamera, allerdings nur der Ton, und auch um dieses Tondokument des ultimativen Grauens dreht es sich in Artikel und auch in der Dokumentation.
Herzog erzählt den Film selbst, mit gewohnter Ruhe. Die Bilder, die er präsentiert stammen zum größten Teil aus Archivmaterial aus Timothy Treadwells Hinterlassenschaft. Die Aufnahmen sind schlichtweg schön. Die Nähe zu den Tieren, die er dokumentiert ist atemberaubend und bewegend. Man möchte sich sofort einen Fuchs als Haustier zulegen. Doch noch etwas ist viel faszinierender: der emotionale Balance-Akt Treadwells, der zwischen kindlicher Begeisterung, heiliger Verzweiflung und schierem blanken Wahn changiert. Man möchte ihn in den Arm nehmen, aber dann kann man sich nicht entscheiden, ob man ihn schütteln oder küssen sollte. Dass er ein Besessener ist, begreift man schon schnell. Inwiefern er ein Irrer ist, liegt im Auge des Betrachters. Herzog beantwortet diese Frage für sich, lässt aber dem Zuschauer die Möglichkeit, sich seine eigene Meinung zu bilden. Herzog liebt seine Exzentriker. Das spürt man auch in diesem Film, dessen Wechselwirkung von Treadwells Selbstinszenierung und der Selbstinszenierung seiner Weggefährten (in Interviews) und Herzogs ruhigem, bewegten und bewegendem Kommentar lebt. Mit den wilden Tieren spielen ist oft keine gute Idee. Herzog hat eine verdammt gute Art, seine diesbezügliche (für mich sehr nachvollziehbare) Faszination umzusetzen. Gesünder als die von Tinothy. Oder auch Amie.

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* sagt Coppolas Dracula zu Mina, währen beide einen weißen Wolf streicheln.

5 Gedanken zu „NATURAL GLAM oder THERE IS A LOT TO BE LEARNED FROM BEASTS*

  1. brittbee

    ich hab ihn auf irgend nem doc festivel gesehen, amsterdam wohl, und war vorhereher mißmutig. herzog ist ja manchmal schwierig. aber gerade der kraft der tondokumente konnte man sich nicht entziehen. toller film, wirklich. und irgendwie mag ich die linie, die sich durch herzogs werk der letzten jahre noch deutlicher zieht. er mag die verrückten, die einer vision folgen oder leidenschaft leben. welche das ist, scheint zweitrangig.

    kennst du „the white diamond“? irre bilder, schräger film.

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  2. timanfaya

    „herzog liebt seine exzentriker“. schön formuliert. sicherlich nirgendwo besser abzulesen, als in seinem verhältnis zu kinski. und das die nummer mit den tieren keine gute idee ist, sieht man ja an herrn roy. alles was so stark ist, daß man in wenn-man-kein-glück-hat-kommt-oft-auch-noch-das-pech-hinzu situationen keinerlei chance hat sollte man besser meiden. das erklärt wohl auch meine innere vorsicht gegenüber pferden.

    [aber elephanten finde ich natürlich knuddelig!]

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