HOW LUCKY CAN YOU GET oder UNEASY LISTENING

Hello Gorgeous – diese Anrede hörst Du sicherlich öfter. Vielleicht in letzter Zeit nicht mehr ganz so oft. In meinem Geburtstjahr standst Du im Central Park auf der Bühne in Kleidern wie Schmetterlinge, mit Lidschatten, wie ihn zuvor noch niemand wagte. Der Vortrag Deiner Lieder war einwandfrei. Der Humor in den Zwischentexten noch sehr geprägt vom langjährigen Aufmerksamkeit erregen in kleinen Jazz-Clubs. Alles an dir war Frisch Frech und unsagbar Funny und so ist es auch kein Wunder, dass Du für Dein Filmdebut auch prompt den Oscar bekamst – hello again, Gorgeous!


(Gorgeous indeed – das Finale fon „Funny Girl“.)

Du warst uanaufhaltbar und topptest die Album-Charts jahrzehntelang. Erfandest Dich neu als Hippiemädchen, als Discoweib, Broadway-Lady und letztendlich als politisch überkorrekte egomane Demokratin. Dein Ego war schon immer groß, so groß, dass jemand wie Madonna neben Dir bescheiden wirkt. Was Madonna in den 90ern gelang, das hattest Du schon Anfang der 70er: total control over your carreer. Darüberhinaus hattest Du noch viel mehr – gesangliches und schauspielerisches Talent. Eine Image-Inflation hattest Du aus diesem Grund nicht nötig und konntest es Dir leisten mehrere Jahre lang mit Minipli durch die langen langen Gänge Deiner Villen zu marschieren. Dann und wann drehtest Du mal wieder einen Film und häufig waren das richtig gute Filme. „Yentl“ – so cheesy sich die Geschichte erstmal anhört – „Yentl“ ist ein Meisterwerk und es ist eine Schande, dass man Dich als Regisseurin nicht mit einem Oscar gewürdigt hat. Deine Performances in „Nuts“ und „Prince of the Tides“ gleichermaßen bewegend. In „Meet the Fockers“ hast Du bewiesen, dass Du noch Humor hast und Selbstironie (anders kann ich mir die Minipli jedenfalls nicht erklären).

Zeitgleich mit Deinem Comeback als Live-Performerin Anfang der 90er wurde jedoch Deine Musik immer beliebiger, pathetischer, oprah-winfrey-mäßiger. Geistloser Kitsch, an jeder Ecke noch ne Geige und noch ne Harfe und ein Elfenchor mit Triangeln. Da konnte ich nicht mehr mit und hörte mir lieber die Originalfassungen von Liedern an, die Du mit Wucht und Überladung in die Kitschhölle gesungen hast. „Schön“ singen kannst Du. Aber die Welt ist nicht Bambi. Ich verdanke es Dir, dass ich Performer wie Judy und Bernadette entdecken durfte – nur konnte ich Dich danach nicht mehr ernst nehmen.

Ich finde es ja schön, dass Du nach wie vor erfolgreich bist. Das sei dir gegönnt. Aber als ich die Preise für Deine Konzertkarten erfuhr, da wurde mir schlecht. Diese Preise sprechen für ein überblähtes Selbstbild. Helge Timmerberg stand mal in einem Hilton-Hotel vor der Minibar und betrachtete eine Whiskyflasche. Dann dachte er sich „Ich will nicht, dass Paris an mir auch nur einen Lippenstift verdient“ und entschied sich gegen den Whisky. So geht´s mir heute mit Dir. Barbra, danke dafür, dass Du mit Deiner Karriere bewiesen hast, das man Gorgeous sein kann, ohne eine klassische Schönheit zu sein. Dass man weit kommen kann als jüdisches Mädchen mit großer Nase. Du warst ein großes Vorbild. But not any longer, Dear. „You´re — cellophane“.

(Breathtaking performance, great hair, awesome wet-look satin robe. Wartet bis zur dritten Strophe. Dieses Lied ist der einzige Grund, sich „Funny Lady“, das uncharmante Sequel zu „Funny Girl“ anzuschauen.)

(Schlimmer geht immer: Barbra hat sich eine Wimmer-Boje an die Seite geholt und sich mit David Hasselhoff, einer unidentifizierten Blondine und einem LKW-Fahrer um einen Flügel geschart. Ihre Brille ist bestimmt von Donna Karan. Ich empfehle, das Volume etwas runterzuschrauben, da die beiden singenden Legenden bei der Textzeile „Tell him“ eine Frequenz treffen, die Kate Bush in „Experiment 4“ beschrieben hat: „A sound that could kill someone“.)

5 Gedanken zu „HOW LUCKY CAN YOU GET oder UNEASY LISTENING

  1. blogger.de:kittykoma

    was für ein abschied von einem idol! da kann ich mich froh nennen, daß die barbramania bei mir im alter von 15 von pink floyd abgelöst wurde.
    und trotzdem kann ich noch ne ganze menge lieder mitsingen. in komischem aushilfsenglisch, weil es die texte jenseits der mauer garnicht gab.

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  2. glamourdick

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    ich schau mir gerade „funny girl“ an und heul die ganze zeit, weil ich sehe, welche bedeutung der von william wyler nicht immer besonders gelungen inszenierte* wunderschöne schmonz damals für mich hatte. und was heute noch davon übrig ist. erstaunlich viel.

    *wyler ist ein schwarzweiß-regisseur. und bei funny girl hat er sich keine mühe gegeben, weil er sich vermutlich in konkurrenz zur kostümschlacht und der powerdiva gesehen hat. schade.

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  3. brittbee

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    meine bienenmama begrüßte mich zum früchstück mit einer kompletten rezension des konzerts, inkl. home made eiersalat. much better kann das original nicht gewesen sein.

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