SUNDAY IN THE TIERPARK WITH GLAM

westkreisch

Und weil sich partout niemand fand*, der mit mir in den Ostzoo Tierpark wollte, um das Elefantenbaby anzuschauen, bin ich halt alleine hin. Tiere kucken mit Musik im Ohr bei Sonnenschein. Kann man ruhig mal machen. Frische Luft gewürzt mit Tierkacke jeder Couleur, das ist doch ein gepflegter urbaner Sonntag. Man kann schließlich nicht immer in Cafés hocken und sich um den Rest Rührei beim Frühstücksbuffet prügeln, zumal das Buffet-Rührei grundsätzlich zu trocken (fällt von der Gabel) oder zu flüssig (muss ich kotzen) ist. Also ins Glam-Mobil gesetzt, in den Osten gefahren, der Ipod hat eine Zufalls-Auswahl alter Diven kombiniert, die sich gewaschen hat (Helen Vita, Liz Taylor, Ingrid Caven als Schwerpunkt) und es war mir eine Freude, mit den ganzen anderen skurrillen Ostbürgern Tierliebenden über den verworren angelegten Asphalt zu flanieren, immer in Vorfreude auf das kleine graue Baby, von dem ich mir ein warmes, sattes Seelengefühl erhoffte, auf das ich auch gerade sehr angewiesen bin, angesichts meiner entsetzlichen Laune und Launenhaftigkeit.

DICKHAUT

In diesem Tierpark gibt es sehr viele Tiere, die man gar nicht sehen muss. Tiere, bei denen man denkt, wie schön es ist, urban zu leben, wo das Wildeste, was einem über den Weg fliegt, eine Nebelkrähe ist. Tiere, die Gerüche verströmen, die einen in jeder anderen Situation zur Axt oder einem Zerstäuber greifen ließen.
In einem recht eleganten Outfit, das von der überdimensionierten Gürtelschnalle, die mir das Skailight geschenkt hat, dergestalt perfekt akzentuiert wurde, dass selbst meine Stylistenfreunde vor Neid erblassen würden, stiefelte ich entlang all jener Scheußlichkeiten der Natur, die man in einem Ostzoo so findet. Opossen. Gnus. Kreischeulen. Jungfamilien, deren Muttertier sich die Augenbraue ganz dünn rasiert hat, damit sie zum kurzgeschorenen Schädel des Vatertiers passen. Das Kleine hat meist schon halbjährig Schatten unter den Augen und riecht nach dem Nikotin selbstgestopfter Zigaretten, die auf dem Polenmarkt erworben wurden. Was mich vor der totalen Depression rettete war die Musik in meinen Ohren und die Vorfreude auf das Elefantenbaby. Nach 30 km Fußmarsch war ich immer noch nicht bei den Dickhäutern angekommen. Und mir wurde klar, dass ich den ganzen Weg ja auch noch zurücklaufen musste, und das in den Gucci-Schuhen, die ich mir eine halbe Nummer zu klein gekauft habe, weil sie in meiner Größe nicht mehr vorrätig waren. Nach der nächsten Biegung fielen mir jedoch einige Steine vom Herzen, denn ich stellte fest, dass ich gar nicht linear aufs Elefantengehege zugesteuert war, sondern eine Runde gedreht hatte. Ich befand mich wieder am Eingang des Zoos! Nun denn – soooo weit war der Weg ja nicht gewesen (Plusquamperfekt, sehr beliebt im Osten!), also noch schnell zum Babyfanten, auf ein Neues! Mittlerweile hatte sich der Zoo schon etwas stärker bevölkert. Neben den bereits erwähnten Jungbrütern gab es nun auch eine ansehnliche Anzahl nahezu Verstorbener. Die Greisen waren eingelassen worden! Ich beschleunigte meinen Gang und machte mich abermals (ein Wort, das ich gerne häufiger verwenden würde) auf die Suche nach dem kleinen Grauen. Und geriet vom Weg ab. Ich fand mich neben einem Karussell, in dem schattenaugige Kinder zirkulierten und Speichelfäden auf verblasste Karussellpferdchen triefen ließen. Untote, die ihren Leichenduft mit Franzbranntwein und Lidl-Seife zu übertünchen versucht hatten, stapften die Asphalt-Alleen entlang und beinahe wurde ich von etwas überfahren, das von der Aufschrift „Bimmelbahn“ verunziert wurde. Ingrid Caven besang den Schwarzen Wald ihrer Kindheit im Saarland, da wurde es mir eng ums Herz. Kein Gedanke mehr an den kleinen Grauen. Solle er sich weiterhin verstecken wo der Pfeffer wüchse. Ich wusste nur noch eines – ich musste raus. Schnellstmöglich. Von gesagt getan keine Spur, wenn man sich im Wald verirrt hat. Ich weiß nicht mehr wie, aber irgendwie gelang es mir. Ich fand den Ausgang. Ich gestehe, dass ich das Ende dieses Beitrags etwas verschludere, aber das hat viel damit zu tun, dass eben das Telefon klingelte. Billy Holiday called.

pinkflaming

*Timon, Dich hätt ich ja gern gefragt, aber ich hab Deine Telefonnummer verschlampt, ich Schlampe.

P.S.: Krasse Unverschämteit, dass sie die Elefanten neben den Toiletten untergebracht habem und dass keiner der versprochenen Hunde an mir vorbei geflogen ist. Was mir auch noch so durch den Kopf ging – outdoor cruisen ohne Homos. I was out of place, kann das sein?

WARNUNG: Ich will keinen einzigen Kommentar betreffs des Anrufs von B.H. Bleibt beim Zoo-Thema. Vom Billy-Holidate berichte ich zu angemessener Zeit. Dann könnt Ihr Euch austoben.

10 Gedanken zu „SUNDAY IN THE TIERPARK WITH GLAM

  1. PetitePatate

    Sehr treffend diese Beschreibung der Jungfamilien, die sich sonntags im Zoo lüften gehen!
    Mir gefällt auch die Vorstellung, dass es da im Zoo einen Wickelraum extra für Dickhäuter gibt, mit so riesigen Windeleimern. Oder eben spezielle Räume für dicke Kinder?! Deutschland soll doch sowieso komplett verfetten momentan…!

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  2. frankburkhard

    „auf dem Weg zum kleinen Grauen zirkulieren schattenäugige Kinder“

    Guten Tag, Herr Rammstein, ich hätte da eine Textzeile zu verkaufen, die den Restbeständen der ostdeutschen Silly-Band leider zu düster war… darf ich mal eben ansummen?

    …bei den Frühbrütern hast du aber nicht genau aufgepasst, glaub ich.
    die gesetze der wahrscheinlichkeit und erfahrung deuten eher darauf hin, daß die muttertiere kurzgeschoren waren und die väter die bleistiftdünn gestalteten Augenbrauen trugen. das dazu passende naomi-campell und na-hier-wie-heißt -dieser-saublöde-englische-mode-fussballer-nochgleich-parfüm wurde wohl leider, leider von gnu-exkrementen überlagert.

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  3. glamourdick

    REPLY:
    hättst ja mtkommen können, um dich selbst zu überzeugen. der chronist lügt nicht. angesichts des gestrig erlebten ist nicht einmal eine ästhetisierende erhöhung vonnöten gewesen.

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  4. Ultimonativ

    Danke für das Sternchen, ich war gerade schon beim innerlichen Aufschreien bei den ersten Sätzen. Hätte mir sogar gepasst, so ein kleiner Zoobummel.

    Hm, ich maile dir die Nummer einfach nochmal und kritzle dabei etwas. Du suchst dir dann die richtige Kombination aus. =)

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  5. spango

    so ein schöner zoo-bericht. dabei kann er ein ort des schreckens sein. der zoo karlsruhe war bsp. der tatort einer vergewaltigung. von flamingos. in serie. wenn sie auch so schöne bilder knipsen. dann kommen halt so geschichten hoch…am besten schließt man die besucher ein, wie sie zurecht beschreibend andeuten…

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