IN YOUR DRESS I DIDN´T LOOK LIKE A MESS AND IN MY SUIT YOU REALLY LOOKED CUTE

Die Sonne steht mir. Ich habe drei Tage lang kaum etwas essen können, das steht mir auch. Wenn das Gesicht schmaler wird, dann wirken die Augen größer. So stöpsele ich mir die Kopfhörer ein und gehe mit Annie Lennox nach draußen, sehnsüchtig, den festen Boden unter mir zu verlassen und mich auf ein Schiff zu begeben. Heut brauch ich diese Wasserbewegung, das sanfte Schaukeln, das mein Wissen bekräftigt, dass es so etwas wie festen Boden nicht gibt, es handelt sich meist um Teppiche, die unter einem weggerissen werden. Ich mach mir keine Gedanken, ob ich allein sei will, da fällt mir ein, dass ich Miss J. bestimmt ein Jahr lang nicht gesehen habe, ich rufe sie an, und eine dreiviertel Stunde später sitzen wir uns gegenüber auf dem Schiff, Kaffee mit Milch und Sekt auf Eis vor uns. Schauen uns in die Sonnenbrillengläser und erzählen. Ich beichte ihr, dass sich seit ca 5 Jahren ein Buch in meinem Besitz befindet, das sie mir geliehen hat, und das ich das nächste halbe Jahr noch weiter benötige, weil es mein aktuelles Schreibprojekt inspiriert hat, vielleicht sogar dessen Basis ausmacht. Miss J. hat mich nicht zum ersten Mal inspiriert. Wir sind beide Zwillingsgeborene und legen mitunter ein für Beobachter kaum nachvollziehbares Intellekt-Tempo an den Tag. Ich rede so viel und schnell, dass meine Lippen taub werden. Ein sehr aggressiver Streit hat uns vor ein paar Jahren getrennt, wir haben es auch drauf, einander weh zu tun. Hatten. Als wir uns kennenlernten, haben wir als zweites unsere Kleidung getauscht. Ich trug also ein langes Kleid mit Hochhäusern und sie einen schwarzen Anzug. Als sie an jenem 11.09. in New York war, saßen eine gemeinsame Freundin und ich zitternd in einer Küche und warteten auf Nachricht.

Wir reden von Burma, irren Männern, die zusammenzucken, wenn man in ihren Armen liegt und sich bewegt, Drehbuchförderung, der Steuer (wir haben beide erst am Samstag damit begonnen), Musik und Drogen, vom Blondsein und dem Haare offen tragen, damit die Sonne noch einmal richtig reinfahren kann, an einem der letzten Tage, an denen man wohlig draußen sitzen kann. Leicht versetzt, aber nur minimal asynchron, legen wir uns unsere Strickjacken um die Schultern, wenn die Sonne sich für einen Weile hinter einer Wolke versteckt. Wie Wellenbewegungen.

4 Gedanken zu „IN YOUR DRESS I DIDN´T LOOK LIKE A MESS AND IN MY SUIT YOU REALLY LOOKED CUTE

  1. glamourdick

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    yes, the lovely miss j.

    die neue annie-platte ist ganz wunderbar. macht die letzte(n beiden) vergessen. nicht ganz so ein kracher wie es „diva“ war, aber very lovely.

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  2. spango

    aufgrund ihres schönen wiederannäherungstextes, muss ich seit gestern immer an mehrere „frau j.’s“ denken. dabei funktioniert so etwas meistens nur spontan.

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