SCHÖNER TRENNEN oder WE´RE A MESS. BUT WE SHIMMER.

Sommer 2004, am Telefon: Krypton, GoGo-Boy und Partymonster, der beste Freund des messy Mitbewohners, der gerade nicht zu Hause ist. Krypton ist ganz aufgeregt, nicht überraschend, hat sein Freund, bei dem er lebt, der seine Rechnungen zahlt und ihm bislang jeden Wunsch erfüllt hat, ihn verlassen. Ich komme kaum mit einem Wort dazwischen, so quellen die Worte aus Krypton heraus.
„Look – G. will be back soon. And I´m here now. Come over if you need to get out.“

Eine halbe Stunde später ist Krypton in der Mansion, sein Redefluss immer noch unbremsbar, unterbrochen von Tränen, Schluchzern, sein wunderschönes Gesicht ein Erdbeben. Er bemüht sich, Pläne für die nächste Zukunft zu schmieden, will nicht länger bei seinem frischen Ex bleiben, obwohl dieser ihm das angeboten hat. Stunden später sind meine Rezeptoren völlig zerschossen, aber Kryptons Leid ist immer noch akut, meine Gedanken wandern anderswohin, weil ich einfach nicht mehr zuhören kann, mir fällt der Abend ein, an dem wir alle auf eine Party gegangen sind, ein öffentliche, Krypton trug einen langen schmalen offenstehenden schwarzen Mantel und sonst nichts (außer Stiefeln) und wurde erst eingelassen, als er sich die Unterhose von G. ausgeliehen hatte. Erregung öffentlichen Ärgernisses hate man selten zuvor plastischer und im Sinne des Wortes unverschämter veranschaulicht gesehen, wobei der Akzent auf Erregung liegt, denn Kryptons Körper war noch schöner als sein Gesicht.

Irgendwann kommt mir der rettende Gedanke – da waren doch noch ein paar Es irgendwo. Droegenexperimenten nie abgeneigt akzeptiert K. die Pille und wir machen einen Spaziergang. Als wir am Kanal angekommen sind beginnt die Droge zu kicken. Alles wird warm und weich und wir wanken ein wenig, haken uns ein, um nicht zu stürzen, bekommen den ersten in einer langen Reihe von Lach-Flashes. Unsere Wahrnehmung optimiert, genießen wir den goldig glänzenden Sommertag. Auf dem Rückweg fährt ein langhaariger Skater an uns vorbei, K. rennt ihm nach, bittet ihn, mit in die Mansion zu kommen, der Skater lehnt ab. Ein Nachbar lädt uns ein, zu ihm aufs Dach zu klettern und das scheint eine perfekte Idee zu sein, also klettern wir angstlos und gar nicht lebensmüde und freuen uns, dem Himmel etwas näher zu sein. Als es anfängt zu regnen gehen wir zurück in die Wohnung. G. ist immer noch nicht da.
Ich stehe an der Terrassentür, und spüre K. hinter mir. Dann nimmt er mich hinterrücks in den Arm, sein ganzer Körper presst sich an meinen. Ich hatte an sowas eigentlich nicht gedacht, aber es fühlt sich gut und richtig an und es ist zwar das E, aber es ist auch immer noch das eigene Bewusstsein, nur ein wenig weiter gefasst.
„Glam, I want to dance for you.“
Und ich muss lachen, weil es albern ist, bis er anfängt. Seitdem kann ich nicht die erste Scissor Sisters-CD hören, ohne schmutzig zu grinsen. Er tanzt, entledigt sich seiner Kleidung, all das ist richtig, ist heiß, genau so wie es ist, aber irgendwo auch unpassend, wie alles an diesem Tag. We´re a mess, but we shimmer. Und noch tanzend kommen dann unsere Körper zusammen, unsere Münder und alles ist und bleibt in diesem Moment, in dieser Stunde, in der unsere Kleidung durch die Luft segelt, Möbel umgerissen werden, unsere Haut aneinanderreibt. Wir liegen nackt auf dem Bett und blasen uns gegenseitig, als der Mitbewohner in der Tür steht, schockiert schaut und dann in sein Zimmer geht um ungestört messy zu sein. Krypton und Glam – da würde niemand drauf kommen, nicht einmal Krypton und Glam, bis vor ein paar Stunden. Wir schlafen Arm in Arm ein, wachen Arm in Arm auf, kuscheln uns aneinander, ich schaue noch einmal auf den zweitschönsten Ständer, den ich (bisher) zu sehen bekommen habe, und dann muss Krypton arbeiten gehen. Und an der Tür küssen wir uns noch einmal und ich denke, sage es aber nicht, so müsste doch eigentlich jede Trennung anfangen.

8 Gedanken zu „SCHÖNER TRENNEN oder WE´RE A MESS. BUT WE SHIMMER.

  1. frankburkhard

    ja der ist nichts für zartbesaitete gemüter, der krypton.
    für die staunenden mitleser von außerhalb: stellen sie sich grace jones mal als mann vor, dann bekommen sie so eine vorstellung. ich erinnere mich immer so gerne an die ersten squeezebox-parties im damaligen späten big eden, wo hanni und nanni sich die fetzigen neuen h&m-nietenblusen anzogen, die haare ein bißchen wilder als sonst, wo doch sogar madonna jetzt wieder gitarren auf der neuen platte hatte und sehr pre-trendy rockig zu sauharter mucke abdähnsten, bis ihnen plötzlich das bier aus den offenen mündern troff, denn krypton hatte sich zu den tanzenden gesellt.
    und seinen mantel abgelegt.
    und der somit komplett nackte schwarze mann, der sich tanzend an säulen rieb und auf dem boden wälzte und was nich noch, das war dann doch ein bißchen mehr rockandroll als hanni und nanni bestellt hatten.
    fand ich hinreißend.

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  2. kittykoma

    wie sang frau dietrich?
    „wer wird den weinen, wenn man auseinandergeht,
    wenn an der nächsten ecke schon ein anderer steht?“
    steht… hrhrhr…
    nee jetzt mal obszöne phantasie beiseite – obwohl das schwerfällt bei der betonung dieser schönheit – ich finde, grade die unverhofften begegnungen sind die schönsten und wen sich dann noch der emotionale aufruhr dazuaddiert… mannmannmann

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  3. glamourdick

    REPLY:
    yes, berlin has lost a lot of its cool since the krypton man´s back in the states.

    (und das mit der hautfarbe hatte ich absichtlich außen vor gelassen, weil ich nicht den ruf eines exotisten bekommen möchte. es war mein (bislang) erster schwarzer sex.)

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  4. timanfaya

    REPLY:
    o.t. [und schon mal „erzählt“]:
    ich war mal vor jahren in einem großraumabteil der bundesbahn mit gefühlten 100 besoffenen weibern um die 100 70 50 eingesperrt. ein frauenkegelverein [„einer steht“] auf kegeltour. wenn ich daran denke, werde ich heute noch schamesrot [und das will was heißen].

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  5. stylebitch

    warum sind vermeintlich schwule romane nie so geschrieben, wie sie es tun, sondern platt und durch den hosenschlitz? schreiben sie ein buch, verdammt.
    die zweite frage wäre noch: warum mir nie so etwas passiert. aber ok, das ist egoistisch …

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  6. glamourdick

    REPLY:
    warum printen, wenn doch blog? steht doch fast alles hier.

    (trotzdem wäre es ein reizvoller gedanke, wenn man mich auch mit zum lesen an den strand nehmen könnte.)

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