MITTE WILL MICH NICH

Früher bin ich ja gerne dann und wann mal in die Friedrichstraße gefahren, zu Dussmann und Hugendubel, ins Quartier 206 und in den kleinen Schuhladen neben H&M. Habe meinen Wagen vorm „Four Seasons“ in der Charlottenstraße abgestellt und bin dann ein bisschen konsumflaniert. Nach dem Eindecken mit Büchern und CDs (DVDs sind bei Dussmann absurd überteuert) habe ich mich dann ins „Catherine´s“ gesetzt, dieses amerikanisch angelehnte Café, das sich durch scheußlichste Wandbemalung und die beste aller Berliner Kellnerinnen auszeichnete, und habe einen karamelisierten Kaffee getrunken, in meinen neuen Büchern geblättert und eine Chesterfield light geraucht. „Catherine´s“, das sehr kuschelig und gemütlich war, ist jetzt ersetzt durch ein Krankenzimmer mit Ecken und Kanten, die Lieblingskellnerin ist auch nicht mehr da. Rauchen geht ja sowieso nicht mehr. Und, da das Parken mittlerweile 50 Cent pro 15 Minuten kostet, mag ich mir den Ausflug in den Buchhandel nicht mehr leisten. Auch mit der Ubahn würde mich ein ausgedehnter Shopping-Trip 4 Euro zusätzlich kosten, und soviel ist es mir nicht wert, insbesondere angesichts des Elends, mit dem man sich in der Ubahn konfrontiert sieht. Im Grunde müsste einen die BVG bezahlen, damit man die öffentlichen Transportmittel benutzt. Selbst Schuld, denke ich. Wenn Ihr die Leute aus der Stadt verscheuen wollt, dann ist Euch das wunderbar gelungen. Amazon bekam von mir und der Amerikanischen Nachbarin 30 Euro, seit dem liefern die umsonst und einen Tag nach eingegangener Bestellung. Wenn es mal später wird, erstatten sie einem 6 Euro zurück. Noch eine verspätete Lieferung und ich hab meine Unkosten wieder raus. Keine Parkgebühr und ich kann beim Blättern rauchen und Kaffee trinken, den kann ich nämlich auch selbst kochen, allerdings verzichte ich auf den Luxus des Karamell, der war reserviert für das Shopping-und-über-die-wunderbare-Kellnerin-freuen-Erlebnis.

Vielleicht gefällt mir ja das Rauchverbot in der Gastronomie, sobald ich Nichtraucher bin. Momentan hält es mich davon ab, mich mit Freunden in Cafés und Retsaurants zu treffen. Dann geht man stattdessen eben spazieren oder trifft sich privat. Die ganzen Kochsendungen sind ja auch nicht spurlos an mir vorüber gegangen, man kann ja schicke Sache selbst zubereiten und auf den Tisch bringen. Dennoch – es ist mir schon klar, dass die Gastronomie leidet und auch die Läden in der Innenstadt werden ein großes Problem bekommen, sich gegen den Internethandel auf Dauer durchzusetzen. Nur, dass diese stay-at-home-attitude mir eigentlich gar nicht passt. Denn, anders als früher, bin ich durchaus auch mal gerne unter Menschen, selbst ein samstäglicher Ikea-Besuch stellt für mich keinen Horror-Trip mehr dar.

Es ist ja leider so, dass die meisten von uns nicht mit Geld um sich werfen können. Und so lehne ich es ab, eine völlig überzogene Mautgebühr für die Straßen der Innensatdt zu bezahlen, ich finde nämlich, dass der Staat mit 19% der Umsätze meiner Einkäufe ausreichend abgefunden ist. Oder man macht es wie Lucky, der empfiehlt, auf das Entrichten der Parkgebühren vollständig zu verzichten, denn wenn man von viermal gratis Parken einmal erwischt wird, dann hat man weniger bezahlt, als wenn man jedesmal die Parkuhr betätigt hätte. Freilich ist es einem entspannten Einkauf etwas abträglich, ständig an die Ordnungsbeamten zu denken, die lästig wie Tauben durch die Häuserschluchten ziehen, also, lieber Herr Dussmann, tut mir Leid, dass anstelle Ihrer nun Amazon an mir verdient. Ist nicht persönlich gemeint.

11 Gedanken zu „MITTE WILL MICH NICH

  1. PetitePatate

    och, schade um das schicke „catherine’s“, war ein netter kleiner ort. hoffen wir, dass wenigstens amazon uns noch lange treu bleiben wird. (toi, toi, toi!)

    PS: danke fürs interview – ein äußerst unterhaltsames kaffeekränzchen! wenn es online geht, erfährst du’s als erster…!

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  2. bittersweet choc

    soviel geld für 15 minuten parken? du liebe güte. die ubahn ist in berlin auch viel zu teuer. 4 euro hin und zurück sind horror. gibt es in berlin schon dieses ökozoneneinfahrverbot für alte autos?

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  3. luckystrike

    ach, herz, du sprichst mir wie so oft aus der seele…
    die 10.000 kleinen oder größeren nadelstiche, die einem das hinausgehen in die Stadt vergällen – in der konsequenz könte man auch wieder aufs dorf ziehen, wenn man nicht mehr essen oder trinken gehen kann und nicht mal mehr shoppen fahren mag.
    amazon gibts auch auf dem dorf und nicht ausgehen kann man da auch. und dann braucht man auch nicht den dreck, die asos und den ganzen schrott zu ertragen.

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  4. glamourdick

    REPLY:
    that´s what friends are for

    es gilt aber auch zu bedenken: auf dem dorf gibt´s ne andere art von nervigen arschlöchern.

    ich muss immer an die folge von SATC denken, wo das partygirl beim rauchen aus dem fenster fällt. old berlin is over, too.

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  5. kittykoma

    REPLY:
    yep. mein aus dem musikfernsehen bekannter und beliebter nachbar hat seinen altporsche schon mit appen nummernschildern in der tiefgarage eingemottet.
    edit: möchte nicht wissen, wie der sich jetzt fühlt beim u-bahn fahren.

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  6. Modeste

    Die BVG ist in der Tat ein erschreckendes Unternehmen. Ich fahre Rad, da hat man die Hoffnung, zumindest ein bißchen abzunehmen (wenn man nun schon nicht mehr vernümnftig rauchen darf), und Autofahren fällt in meinem Fall ja eh aus.

    Aber kommen Sie ins LassunsFreundebleiben. Die haben einen raucherraum eingerichtet. Und vorher rufen Sie mich an. Dann bin ich da.

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