CHARLOTTE ROCH DEN BRATEN

Vielleicht hat Charlotte Roch einfach alles nur richtig gemacht. Die Zeichen der Zeit gelesen und verstanden. Auf der richtigen Installationsvernissage mit dem richtigen Verlagschef Champagner genippt (vielleicht sogar mit ein wenig Smegma hinterm Öhrchen).
„Schreib einen Roman, Charlotte – Du bist doch eine Stimme unserer kaputten Z-Generation, die man auch lesen möchte. Dein Wort soll doch nicht in Spartensendern verhallen und eines Tages vom rauhen Smog der Hauptstadt verweht werden! Schreib einen Roman über hippe, krasse Menschen wie Dich!“

Dann hat sich Charlotte überlegt, wie man alles nocht toppen kann. Wie es funktioniert, mit geschriebenem Wort zu bewegen. Krimis machen dem Leser Angst. Horror bringt sie zum Schaudern, bei Liebesromanen werden sie romantisch, zum Porno holen sie sich einen runter. Aber wer arbeitet schon mit Ekel? Ekel ist neu. Ekel ist toll. Ekel ist das neue Arschloch!

Ehrliche Berichte über Großstadtleben werden ja schon durch diverse Blogger abgedeckt. Auch dort kann man von Kotze lesen, von Abstürzen, von geilem Sex, schalem Sex, von Sekreten an Orten, wo die Natur sie nicht notwendigerweise vorgesehen hat aber gerne duldet. Das ist alles schon da, das polarisiert nicht mehr (denkt sich Charlotte – außerdem „wer liest schon Blogs?“, recht hat sie, Blogger lesen Blogs, dem Rest der Welt bleiben sie verschlossen. Wetten, dass auch am Freitag bei der Lesung nur wieder Blogger und beste Freunde und Partner von Bloggern im Publikum sitzen werden?!)

Aber wenn ein Feueilletondarling wie Charlotte „ehrlich“ wird, bzw. eklig, dann wird nicht nur die Muschi öffentlich rechtlich, sondern sogar die feuchte, ungewaschene Muschi, die dann eigentlich schon nicht mehr unter den Muschibegriff fällt sondern zur Möse mutiert, bzw. das volle Votzenprogramm verdient. Aber so neu ist das alles nun wirklich nicht. Die (mittlerweile längst) unerträgliche Nick provozierte schon vor Jahren mit dem Plakatieren ihrer unplakativen „Hängetitten Deluxe“. Die Teufelsberger mixten (und nicht im übertragenen Sinn) einen Cocktail aus angebratenen Fischstäbchen und diversen Flüssigkeiten und tranken ihn auf offener Bühne. Das Theater der Gegenwart kommt schon längst nicht ohne drastischsten Sex aus. Fahren Sie einfach mal im Winter in Berlin U-Bahn und hören sie den Leuten zu, wie sie ihre Rotze hochziehen und runterschlucken oder auf den Boden spucken. Fragen Sie mal eine Krankenschwester nach ihrem unangenehmsten Patienten. Die ganze eklige Scheiße liegt auf der Straße. Wurde Zeit, dass sie jemand aufhebt und zu Gold macht.

Ich persönlich mag von Literatur bewegt werden. In all den oben genannten Genres. Es darf auch gerne drastisch sein. Eine Spur Ekel gehört im Horror-Genre dazu. Aber unerträglich ist jeder Mangel an Eleganz. Lästig, zäh und anstrengend ist es, wenn ein Autor nur eine einzige Klangfarbe beherrscht. Und wie würde es Ihnen gefallen, wenn Sie den Bestseller des Jahres geschrieben haben und alle hassen ihn? Wenn Sie gut geschrieben drastische Berichte lesen möchten, gehen Sie zu Bomec, zu Airen oder zu NoChocolate. Das würde ich auch Charlotte dringend anraten. Sie kann noch viel lernen. Ein bisschen Glamour. Und Drama, Baby.

11 Gedanken zu „CHARLOTTE ROCH DEN BRATEN

  1. timanfaya

    REPLY:
    ich habe es erst jahre nach dem ganzen palaver drumherum gelesen, so wie ich es mit jedem buch oder film mache, der zuviel aufmerksamkeit und diskussionsstoff für andere medien bietet.

    jedenfalls hing ich am anfang gedanklich zu sehr an seinem erstlingswerk, was ich als jugendlicher sehr sehr gut fand. als ich mich davon gelöst habe hat mir das seltsame ding dann doch äußerst gefallen, eben weil es einerseits inhaltlich so abgedreht – und andererseits völlig banal erzählt war.

    ich werde die tipps mal aufnehmen wenn ich irgendwann mal wieder zum lesen komme.

    Antworten
  2. timanfaya

    ich wußte auch schon vorher, welches buch ich nicht lesen werde, aber … das mit der eleganz, ist es das was ich an american psycho immer etwas irritierend fand?

    Antworten
  3. glamourdick

    REPLY:
    das hatte eine gewisse form von eleganz. aber gefallen hat´s mir trotzdem nicht. besser: „the informers“ und „glamorama“ (ja, naheliegend, ich weiß).

    Antworten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert