BOYS IN THE SAND

„Schön“ wäre sicher nicht eines der häufigsten Adjektive, mit dem man einen Pornofilm bezeichnet, aber gerade habe ich einen erstanden, auf den das Wort zutrifft. Bei seinem Erscheinen im Jahr 1971 wurde er in der New York Times besprochen und beworben und das noch bevor kurze Zeit später Dank „Deep Throat“ der Porno Chic ausgerufen wurde. 1971 markiert den Zeitpunkt, an dem der Porno für ein paar Jahre lang mainstreamtauglich wurde. Vor Verbreitung der Videotechnologie liefen nun Hardcore-Streifen in etablierten Kinos und wurden von der Presse besprochen wie alle anderen Filmproduktionen auch. Der Unterschied zwischen „Deep Throat“ und „Boys in the Sand“ von Wakefield Poole: DT ist albern und erreicht erzählerisch das Niveau deutschen Tittenfilme á la „Schulmädchenreport“. „Boys in the Sand“ versucht gar nicht erst, eine Handlung vorzutäuschen sondern verlässt sich auf die Inszenierung von Sex.

„Boys“ hat Mystik. Trotz Hardcore-Handlung einen Hauch Romantik. In einem Outtake* der ersten Sequenz „Bayside“ erklingen zum Schluss Engelschöre und es wirkt nicht einmal kitschig. Die gehören da hin wie der Cum-Shot. Filme wie „Deep Throat“ behandeln Geilheit. „Boys in the Sand“ hingegen zeigt Begehren und sexuelle Selbstbestimmung. In „Bayside“, der Eröffnungsepisode, materialisiert sich aus dem Nichts ein Mann auf dem Ozean, läuft an den Strand. Dort trifft er einen anderen. Erst wird geknutscht, dann geblasen. Dann verschwinden die beiden in den Dünen und im Schatten der Bäume geht es weiter mit Blasen, Küssen, Lecken und Ficken. Die Abwesenheit von Zivilisation (ich frage mich, wie es ihnen gelungen ist, ausgerechnet auf Fire Island ungestört zu drehen) verleiht der Nummer etwas Erhabenes, sprichwörtlich Natürliches. Die Kamera ist ruhig, der Schnitt harmonisch außer in der stakkato-artigen Sequenz, auf die der Orgasmus folgt. Poole arbeitet mit Licht und Schatten – die Sonne scheint durch die Bäume und bepinselt die Körper, eher ein Gemälde als ein Film. Die Dasteller agieren hingebungsvoll und in keiner Sekunde hat man das Gefühl, dass sie sich der Kamera bewusst sind. Anders als in den Amateurpornos dieser Tage wird der Zuschauer nicht durch Blick in die Kamera einbezogen, sondern zu einem Voyeur, der das Gefühl bekommt, etwas Besonderes zu sehen. Zwei Männer, die tun, was sie tun müssen, eingefangen in einem filmischen Gemälde, das nur zwei Jahre nach den Christopher Street Riots produziert wurde.

Anders als der im gleichen Jahr entstandene Klassiker „Pink Narcissus“ von James Bidgoood, der schwulen Sex opulent, verrucht, hochgradig verkitscht und schnörkelig zeichnet (think Pierre & Gilles), aber vor dem eigentlichen Akt haltmacht, verlässt sich Poole auf die Kraft dessen, was Sex ja eigentlich ausmacht: Natürlichkeit, Leidenschaft, Freude. „Boys in the Sand“ hat es als einziger Porno in die Liste meiner Lieblingsfilme geschafft, das gelang nicht einmal den Werken von Peter Berlin.

Wenn Sie sich das Werk kaufen wollen, dann empfehle ich die „Wakefield Poole Collection“, eine Doppel-DVD mit jeder Menge Bonusmaterial.

Und wenn ich jetzt wüsste, wie ich auf meinem Mac Screenshots von der DVD machen könnte, dann wäre der Beitrag bebildert.

*Einer der Darsteller zog seine Einwilligung zur Veröffentlichung zurück, als er hörte, dass der Film in Kinos gezeigt werden sollte. Daraufhin engagierte Poole den Schauspieler Cal Culver, der unter dem Pseudonym Casey Donovan den Part übernahm und für ein paar Jahre zur Ikone des schwulen Pornos wurde. Seine Geschichte ist zu spannend für eine Fußnote. Demnächst mehr.

13 Gedanken zu „BOYS IN THE SAND

  1. Epi

    Hach, der Porno Chic, wie würde ich ihn vermissen, wenn ich ihn miterlebt hätte…
    In meinem Bekannten- und Freundeskreis gabe es eine gewisse Zeit nahezu regelmäßig stattfindende Abende, an denen wir uns bei Sushi und Cocktails Pornofilme der 70er Jahre ansahen; „Boys In The Sand“ gehörte auch dazu, den wir alle sehr schätzten, und so wunderbar seltsame Filme wie „Memories Within Miss Aggie“. Nur „Deep Throat“ haben wir uns nicht angesehen, und ich habe ihn auch seitdem nicht geschaut. Sollte ich das nachholen? Ich denke nicht…

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  2. glamourdick

    REPLY:
    leihen Sie sich stattdessen lieber „the devil in miss jones“ in der deutschen fassung, da ist miss jones synchronisiert von ingrid caven.

    sehr interessant auch die john holmes-doku, die es als bonus feature der special edition von „wonderland“ gibt. (die ist besser als der film, aber der ist auch nicht schlecht.)

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  3. Miss Liss

    apfel und f11 so gehen screensshots jedenfalls bei meinem ibook.
    nicht das ich auf schwulenpornos stehe, aber schöne männerbilder mag ich immer gern mal sehen 🙂

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  4. Epi

    Hach, „The Devil In Miss Jones“, wie spannend. Ich kam nie auf den Gedanken, ihn mir synchronisiert anzusehen, aber nun… An „Behind The Green Door“ musste ich gerade noch denken, den finde ich auch ganz und gar famos. Natürlich ist all der „Psychedelic“-Kram etwas arg überkitscht, aber wen stört das in solch einem Fall schon.
    Und vielen Dank für den Hinweis bezüglich der Dokumentation, ich werde auf jeden Fall danach Ausschau halten.

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  5. glamourdick

    REPLY:
    es gibt auch eine schwule antwort auf die „green door“ – heißt „behind the greeK door“, ist aber leider blöd.

    neugierig geworden bin ich auf wakefields „bible“.

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  6. raketenprinz

    REPLY:
    nicht im vollbildmodus, aber in einem etwas kleinerem fenster schon: pause drücken, auf den schreibtisch klicken (also in das programm finder wechseln) und mit apfel-shift-4 einen zeiger bekommen, mit dem an den ausschnitt ziehen kann. erscheint dann als bild 1 auf dem schreibtisch.

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  7. Epi

    REPLY:
    „Behind The Greek Door“ ist mir gänzlich unbekannt, noch nicht einmal den Namen kannte ich, bis eben. „Wakefield Poole’s Bible“, den ich als „In The Beginning“ gesehen habe, finde ich arg öde und uninspiriert – das Thema hätte ja, obzwar ausgelutscht wie kaum eines, für einen Porno einiges hergeben können, aber allein schon diese ganze Fixierung auf den „weiblichen Blickwinkel“ ist ziemlich plump. Wie wäre es mit „Bijou“?

    „Dirty Poole“ möchte ich gern sehen, aber der wird sicher niemals fertig werden. Soll es nicht Ende diesen Jahres soweit sein? Vielleicht sollte ich aber auch erst einmal das Buch lesen…

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  8. glamourdick

    REPLY:
    „bijou“ ist irgendwie der gegenentwurf zu bayside/boys in the sand. ein bisschen klaustrophob. düster.

    die „dirty poole“-doku sucht immer noch sponsoren und mäzenate. tushinski wählt gute themen, handwekrlich ist er aber nicht so besomders. das sieht man schon bei der „ouvertüre“ und auch bei der peter berlin-doku.
    das buch ist leider gerade etwas overpriced und leider nicht bei abebooks zu beziehen

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