GLAMHART

Also. Diese Kirche. Schon sehr kirchlich. Auch noch mit Weihnachtsschmuck aufs adventischste geschmückt. Die Vorgruppe: der Pfarrer und seine Frau. Man wartete darauf, dass sie während der mulitlingualen Darbietung mit der Kollekte rumgehen. Zögernd benetzt die singende Person mit ihrem Handballen das Tambourin, ganz Antonioni „immer gegen den Rhythmus“. Die perfekte Hochzeit von Dire Straits und Joan Baez.
„Wo treten die wohl sonst auf?“ fragt die Spreepiratin.
„Hochzeiten, Todesfälle und Kindergeburtstage?“
„Nein, da wird heutzutage wirklich Qualität verlangt.“
Der Sound, also die für verstärkte Musik absolut ungeeignete Scheißkirchenakustik. Kein Wort zu verstehen, was bei der Darbeitung von „Der Pastor und sin Fru“ (so hießen die nur vermutlich) kaum ins Gewicht fiel. Aber dann kommt ER, der Heiland, ganz freundlich, verspielt, unarrogant, uneitel in weißen Jeans und schwarzem T-Shirt und die ersten drei Lieder weiß man zwar was er singt, weil man es kennt, aber man versteht kein Wort, bis er bei „16th & Valencia“ das Problem mitbekommen hat und ganz betont deutlich artikuliert und das ist der Moment, wo nicht nur die Kirchentechniker endlich begreifen, dass sie was machen müssen (und es auch tun), sondern wo auch das Publikum Devendra an den Lippen hängt und dieses wunderschöne Stück, das vielleicht Schönste auf der neuen CD, uns alle plättet. Und das ist erst der Auftakt zu einem Abend mit einem Star, den ich erst jetzt als das schätzen lerne, was er ist – neben der sexy Sau, dem durchgeknallten Folkie – ein Musiker, Vollblut. Er stellt neues Material zu Songs aus „Smokey“ und „Cripple Crow“, so dass die neuen Songs sich in Nachbarschaft mit dem alten Material für mich erstmals richtig entfalten und ich begreife, dass ich „What will we be“ einfach noch einmal hören muss, wie es gute Musik verdient: Laut und konzentriert. Hinhören, wie damals auch das erste Mal bei „Cripple Crow“. Selbst Lieder, die nie zu meinen Lieblingstracks zählten, werden in der Live-Performance zum Geniestreich. Und als er abschließend auf das epische „Sea Horse“ die zum zügigen Catwalk-Paradieren auffordernde „Carmensita“ bringt und alle aus den Kirchenbänken emporfliegen und zu Tanzen anfangen, da wünsche ich, das Konzert möge hiermit beendet sein, denn besser könnte er es nicht abschließen. Aber da weiß ich noch nicht, dass er sich beim Abgang von der Bühne das T-Shirt vom Leib reißt und zur Zugabe oben ohne „Chinese Children“ und „Just like a child“ zum Vortrag bringt, halbnackt vorm Altarkreuz, the church of Devendra, the (wish-he-were-)GayMessiah coming.

Ein Abend ohne Lightshow. Es gab zwei Lichteinstellungen: An und Aus. Mehr war auch nicht nötig. Die bunten Lichter knipste Herr Banhart selbst. In seinem Publikum. Ein Charisma, eine Showmanship, eine Musikalität, die man in seinen Videos nur erahnen kann. Nichts von kalifornischer Hippie-Arroganz: Der Abend ist Musik pur. Musik aller Jahreszeiten in einem Spektrum, das den Regenbogen arm aussehen lässt. There has never been so much passion inside the walls of Passionskirche, and it´s unlikely that there ever will be again.
„Das nächste Mal wird es wohl eher die Columbiahalle sein“, mutmaßt die Spreepiratin und wir verlassen die Church of Devendra, selig, gechillt, mit einem Lächeln, das nur ein klitzekleines bisschen irre aussieht – you might think we´re high, but we´re just free dancing.

4 Gedanken zu „GLAMHART

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