Weshalb ich die „Vanity Fair“ immer noch abonniert habe* – u.a. weil sie Geschichten bringt wie in der aktuellen Ausgabe über den Regisseur Preston Sturges, der in den 40ern ein halbes Dutzend Filme in Folge geschrieben und dirigiert hat, dann irgendwie weg vom Fenster war und auch nie wieder in die Nähe eines Fensters kam. Ein Magazin, das auch mal nach hinten schaut, nicht immer nur nach vorn, sehr sehr rar, sehr sehr löblich. Der Artikel jedenfalls machte neugierig auf diese Filme, Preston Sturges bislang eine weißer Fleck auf meiner Filmlandkarte, lediglich der eine Titel „Palm Beach Story“ klingt vertraut. Amazon.co.uk arbeitet mal wieder Hand in Hand und drei Tage nach Lektüre des VF-Artikels bin ich im Besitz der sieben Filme umfassenden Preston Sturges DVD-Sammlung. Wo anfangen? Entscheidung leicht: „Sullivan´s Travels“, da spielt Joel McCrea die Hauptrolle, der ist megasexy, und an seiner Seite eine der Schönsten überhaupt, die glasklare Veronica Lake. Alles, was im VF über diesen Film steht, stimmt. Der Film hat ein paar überzogen inszenierte Slapstick-Szenen, aber die braucht er. Erzählt wird die Geschichte des Komödien-Regisseurs Sullivan, der zum Entsetzen seiner Produzenten beschließt, einen sozialkritischen Film über die Abgründe und Slums des Amerika der 40er Jahre zu drehen. Um das Projekt realistisch zu gestalten beschließt er, sich als Hobo verkleidet unter die Ärmsten der Armen zu mischen und ein bisschen übel riechende Unterschichts-Luft zu schnuppern. The travels begin. Nach seiner ersten Nacht landet er hungrig und abgebrannt in einem Diner, wo ein goldschimmerndes Hollywood-Starlet deluxe ihr Frühstück zu sich nimmt. Noch im Abendkleid von der Party am Vorabend, ein mit Brillianten geschmückter Panther in einem Spätkauf, beginnt ein Schlagbabtausch zwischen ihm und ihr, wie ich ihn selten in einem Hollywoodfilm gesehen habe.
Cooooole Säue. Selten einen Film gesehen, in dem so viel so schnell geredet wird, und es sind wahnwitzig geniale Dialoge, es macht große Freude diesen beiden Figuren zuzuschauen und zuzuhören, es ist auch ein bisschen too much, aber egal, das ist Versace auch und trotzdem ist viel Schönes dabei. Ich will nicht zuviel verraten über die weiteren Reisestationen von Sullivan (außer, dass es einen symphonischen Moment komplett ohne Dialog gibt – überhaupt ist der Film eigentlich eine Ballade in Strophen und mit Chor), nur soviel – ich freue mich auf die nächsten sechs Sturges-Filme und habe mich completely in Veronica und Joel verknallt. So gönne ich mir fürderhin pro Abend einen Film nach Möglichkeit mit Joel und als Double-Feature-Zweiten einen, in dem niemand mitspielt, den ich kenne. Wochenende kann kommen.
Das Box-Set kriegen Sie in England für knapp 20 Euro, in Deutschland kostest es 80. You know what to do.
Deadpan drop dead gorgeous:
* Aber noch eine Ausgabe, in der der Name Tiger Wodds fällt, und ich überleg es mir nochmal.
und eine echte geschichte und glamour, und eine schauspielerin, die sich sicher nicht barfuß und nach arbeit buhlend auf eine bühne begäbe um einen preis anzunehmen. und slapstick auch? und gar eine kamera, die eine erzählsprache, eine idee! hat?
das alles könnte ich sehr dringend vertragen. war ein bisschen viel „berliner schule“ in letzter zeit, und denen mangelt es ja bekanntlich an all dem.
i know what to do.
(p.s. von welchem dt. vorkriegsfilm hast du kürzlich so geschwärmt? war es ein lubitsch?)
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ein pabst – „tagebuch einer verlorenen“. (oder meinst du „menschen am sontag“?)
Die Dialoge! The Lady Eve war umgehend einer meiner all time favourites (habe das gleich Seiben-Film-Set). Was mich völlig verdatterte: Die unbefangenen Frauenrollen! Warum konnte Hollywood das 1941 und sehr bald danach sowie leider dauerhaft nicht mehr?
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auf „eve“ und „palm beach story“ bin ich auch schon sehr gespannt. (und, was VL angeht – „i married a witch“ ist schon bestellt.)
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ich meinte das tagebuch! (und konnte das hier irgendwie ein paar tage nicht kommentieren, bin immer rausgeflogen.. jetzt jeht et wieder)
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BÖSES twoday.net! aber jetzt jeht et ja wieder.
Oh, „Palm Beach Story“! Nehmen Sie sich Zeit für den, es dauert Stunden den von Lachkrämpfen gebeutelten Körper danach wieder in eine halbswegs aufrechte Position zu bekommen ohne gleich darauf wieder zusammenzuklappen (Winter 08, Österreichisches Filmmuseum, die Bar voller Menschen die unkontrolliert in gelächter ausbrechen und sich teilsweise kaum auf ihren barhockern halten können – drunkards? oh no, they just came out of that movie …)
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ja, der war wirklich herrlich. („the lady eve“ dann im direkten vergleich nicht ganz so doll.)
Danke für den Tipp, Herr Dick eben Sullivan’s Travel – vom Erstgeborenen auch ans Herz gelegt bekommen – gesehen. Wunderbar.Morgen hol ich mir den (P)Rest(on).
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freut mich!