SABINE oder WE WERE NEVER BEING BORING

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Als zum dritten Mal die Tür geht und ich, zum dritten Mal geweckt, beginne in Rage zu geraten, fällt mir Sabine ein, weil ich versuche nachzuvollziehen, wie es war, Anfang 20 zu sein und den nächsten Tag frei zu haben. Sabine und mir war es allerdings egal, ob der nächste Tag frei war oder nicht. Wenn ich mich richtig erinnere, war der erste Abend, den ich mit Sabine verbrachte, ihr letzter Arbeitstag bei H&M, danach geriet alles etwas aus den Fugen, was wir natürlich so nicht erlebt haben – wir haben einfach gefeiert und dass sie sich langfristig krankschrieben ließ geschah eben durch Handlungsbedarf.

Wir hatten uns verknallt, freundschaftlich. Wir waren beide auf unterschiedliche Art und Weise Erscheinungen. Sie eine üppige Platinblondine, aufwändig geschminkt, die gerne Haarteile trug, bevor Madonna das populär machte, ich dieser thinnne bleiche ebenfalls stark geschminkte Duke mit den rabenschwarzem langen Haaren. Nachtkinder. Eine politisch Inkorrekte Berlinerin mit Abscheu vor Abschaum, die Ossis anpöbelte, kaum dass sie einen Fuß über die frisch gefallene Grenze setzten. Dorfkind, losgelassen in der Großstadt, bevor es die Hauptstadt war. Gesucht, gefunden. Sie war die erste Freundin, die ich in Berlin fand, monatelang hatte ich mich an die Freundin geklammert, die mit mir nach Berlin gezogen war, Sabine war die erste Loslösung, das erste Andocken an die neue Heimat. 1989/90 gab es kaum einen Abend, an dem wir nicht zusammen unterwegs oder zu Hause waren, mehr aber unterwegs. Oft im Pulk, aber wir waren stets das Herz dieser variierenden Clans. Wir soffen – sie Southern Comfort, ich Whisky, rauchten und waren laut und ansehnlich, eine Kombi, die ich damals mit Berlin verband, heute mit Jugend. Ungeschminkt war ihre Haut so dünn, transparent, wie man sie sich bei einem Vampir vorstellt. Man konnte ihre Adern sehen. Über Sabine, dafür bin ich ihr bis heute dankbar, lernte ich das Skailight kennen – Freunde wurde wir allerdings erst Jahre später.

Ich frage mich, was wir für Themen hatten. Kreativität, Outrageousness, die Leute in unserem Umfeld, Patsy Kensit. All die Themen, die man hat, wenn man zusammen feiert. Vielleicht irre ich mich rückblickend, aber ich glaube, wenn wir zusammen waren, waren wir angstlos. Das war vielleicht das Schönste, Befreiendste, was ich nach einer terrorisierten Jugend erleben durfte. Uns konnte nichts passieren, solange wir zusammen waren. Und dafür habe ich Sabine geliebt. Wie viele Lieben endete auch diese eines Tages, aber ich trage sie noch in meinem Herzen. Es waren wunderschöne Nächte, durch die wir flogen wie besoffene Schmetterlinge, (un)schuldige Nachtfalter. Sabine. I loved her deeply.

5 Gedanken zu „SABINE oder WE WERE NEVER BEING BORING

  1. skailight

    wow , alles so sehr lange her und doch bleibt so vieles in Erinnerung …
    Und auch wenn sie sich für ein anderes Leben entschieden hat wird Sabine doch auch immer ein Teil von unserem gewesen sein ! Wie schön …
    Und danken würde ich ihr auch gern dafür , dass sie uns verbunden hat , denn ohne Dich wäre mein Leben wesentlich weniger bunt und vielfältig und schön und traurig und verrückt und neugierig und ich würde nicht diesen Freund haben der immer in meinem Herzen ist !
    Danke !

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