FAMILY AFFAIRS

Ich hatte so was befürchtet. Wer zu spät zum Lunch anlässlich des 77. Geburtstags des Vaters erscheint, kann sich den Platz am Tisch nicht selbst aussuchen. Eine halbe Stunde zu lang auf der Autobahn und der einzige freie Platz ist der direkt gegenüber der bösen L.. Wir haben jetzt seit ca. 3 Jahren kein Wort mehr gewechselt. Ich hab ihr die Hand geschüttelt, wenn ich meine anderen Tanten umarmte, klarer konnte ich es nicht ausdrücken, ohne grob zu werden. Und nun sitze ich hier und weiche ihrem Blick aus, im Zugzwang der geburtstäglichen Harmonie.

Eigentlich ist es meine Schuld. Ich hatte getrödelt. Dachte mir – wenn alle schon am Tisch sitzen, dann muss ich niemanden umarmen, dann kriegt keiner mit, dass ich die L. NIE NIE NIE umarmen würde, um´s Verrecken nicht.

„Die Tante L. hat dir zwei Glas selbst eingekochte Marmelade mitgebracht. Stehen untern für Dich.“
„Glaubt die, ich bin für zwei Glas Marmelade rum zu kriegen? Was bin ich denn? Ein aufgeschnittenes Baguette mit Butter?“

Essen essen essen, trinken, trinken, trinken. Wein. Wasser. Sekt. Einen Obstler – Nein Danke. Irgendwann ist wieder diese typische Familienfeier-Alkohol-Dynamik, wo alle irgendwie auf einmal ganz sweet sind, Witze erzählen, lauthals lachen, und irgendwann sagt die L. „Ich hab Dir Marmelade mitgebracht. Selbst gekocht.“
„Danke, das ist lieb. Selbst gemacht ist ja immer die Beste.“

„Scheißfreundlich. Sein sie einfach scheißfreundlich“, hatte Heidi empfohlen. Lassen Sie sich nicht anmerken, wenn Sie verletzt sind. Sie sind doch stärker, größer, Sie brauchen sich doch nicht klein machen lassen.“ Und so kam es ganz anders. Die L. zog quasi zu Kreuze, so dass ich kaum mitbekam, dass der Krieg an einer ganz anderen Front ausgetragen wurde.

Als die L. sich verabschiedet nehmen wir uns in den Arm. Ich drück sie noch einmal ziemlich fest. Als Dankeschön dafür, dass wir diese Party nicht durch unseren Zwist versaut haben. Ich glaub, sie hat´s verstanden. Freunde werden wir trotzdem nicht mehr werden.

„Es war so schön harmonisch!“ Freut sich mein Vater, und – ja, wenn ich an Weihnachten denke, war sein 77. Geburtstag ein Gratis-Tag in Disneyland. Nur, dass meine Schwester nicht mehr mit mir redet, und ich weiß nicht, ob es die Eierbecher sind, oder ob es sie nach 40 Milliarden Jahren immer noch verletzt, dass meine Eltern mir Aufmerksamkeit schenken und sie, die im Haus nebenan von ihrem wohnt, glaubt, zu wenig davon zu bekommen. Der ewige Wettstreit zwischen Geschwistern, nur, dass sie die einzge ist, die ihn spielt. „Und wisst Ihr was – es kränkt mich nicht. Wenn ich mal reich bin, schick ich ihr nen LKW mit Eierbechern aus aller Herren Länder.“
Mutter, Vater und Sohn lachen.

Als heute morgen meine Schwester in der Küche unserer Eltern auftaucht, mich taxiert, fragt „Du fährst?“, und ich bejahe, sie dann „Tschüss“ sagt und auf dem Hacken kehrt macht, schüttele ich mit dem Kopf und sehe, dass meine Eltern beide mit den Tränen kämpfen.

Aber mich kränkt es nicht.

Auf der Heimfahrt umzirkele ich einen Roman-Plot und sehe eine Trilogie. 1 – Schauer, 2 – Horror, 3 – Terror-Roman.

Der Schauer-Roman ist fertig. Es folgt: Horror. Und nein. Keine Zombies. Vielleicht Aliens? Ja. Aliens.

2 Gedanken zu „FAMILY AFFAIRS

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