Whatever happened to Baby Glam (so far)

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, hallo vernachlässigte Leserinnen und Leser!

zunächst einmal ganz lieben Dank für den Gutschein, den ich gestern erhielt. Anbei eine kurze (!) Zusammenfassung, was alles so geschah und weshalb ich so lange ausfalle

In der Nacht vom ersten auf den zweiten Weihnachtsfeiertag wachte ich mit einem heftigen Hustenanfall auf, hatte das Gefühl, das jemand mein Herz fest in der Faust hält und ein paar Mal tüchtig zuquetscht, das ganze ein paar Sekunden hintereinander, bis zum nächsten Anfall ein paar Minuten später. Als ich aufstand, um irgendwas zu tun, sei es nur, um Bodenhaftung zu bekommen, blieb mir der Atem weg. Dann bekam ich Schüttelfrost. Ich konnte nicht mehr einschlafen, wusste aber, dass ein Bekannter von mir diese Nacht im Krankenhaus arbeitete. Er empfahl mir, sofort zu kommen, aber ich wollte erst einmal den nächsten Morgen abwarten. Als sich herausstellte, dass sich an der Symptomatik nichts geändert hatte, begab ich mich nicht ins Auto zu meiner Weihnachtsschicht, sondern in die nächstgelegene Notaufnahme. Hier diagnostizierte man mir nach ein paar Stunden des Untersuchens den Verdacht auf eine Bronchitis, sowie eine Panikattacke (ich hatte blöderweise angegeben, dass ich regelmäßig Citalopram nehme, ein Medikament gegen Panikattacken. ) Was man an dieser Stelle übersah – meine CRP Werte (oder CPR?) (Normalwert liegt bei 1, ein Warnwert ist erreicht bei 5) lagen zu diesem Zeitpunkt bei 34.

Kurze Unterbrechung, 31.1.17: soeben kommt die Krankenschwester in mein Zimmer und sagt mir, dass die gestrige Isolationsverordnung (der Zimmergenosse, wurde evakuiert, ich nur noch mit einer Pinzette angefasst, die in Fausthandschuhen steckte, ich erntete angewiderte Blicke), auf Basis einer veralteten Vorgehenswieise aufgehoben werden kann, sofern ich dusche und frische Kleidung anziehe. „Tja, das tut mir nun Leid, meine frische Kleidung kommt erst im Lauf des Tages.“ Wenn es so einfach ist, für ein paar Stunden ein Einzelzimmer zu bekommen… Und allein für die Demütigung gestern. Aber ich greife vorweg.

Den zweiten Feiertag verbrachte ich im Bett, auch in den folgenden Tagen war an eine Rückkehr nach Berlin nicht zu denken. Am 2. Januar hatte ein ich einen Arzttermin für den ich dann nach B. zurückreiste. Ergebnis war, dass meine Hausärztin mich aus feuchten Augen anschaute. „Herr Ludewig, ich möchte Sie ungern in Ihre Wohnung zurücklassen. Ich weiß nicht, wie Sie die 5 Treppen schaffen wollen“. Tatsächlich hatte mir Atemnot das Treppensteigen schwer gemacht, ich schob das aber immer noch auf eine schwere Erkältung, vielleicht Grippe. Meine CRP-Werte zu diesem Zeitpunkt: 220. Sofortverordnung Antibiotika, Krankschreibung bis Ende Januar. „Herr Ludewig, Sie sind ein schwer kranker Mann.“ Noch immer Ungläubigkeit aber auch leise Panik. Ich bin nicht drauf eingestellt, krank zu sein, geschweige denn schwer krank.

Nächster Zwischenstop, eine Radiologie im Ärztehaus Bergmannstraße, weiter in die Pneumologiepraxis im selben Bezirk, wo meine Hausärztin mir einen Notfalltermin gezaubert hat. Der CT zeigt untypische Entzündungsherde in der Lunge. Für mich siehts aus wie planetäre Umlaufbahnen, so saturnringelig. Atypische Lungenentzündung hab ich also, und sollte gar nicht auf den Beinen sein, aber irgendwie muss ich ja von Praxis zu Praxis. Atypisch sind diese Gebilde, später ist von Embolien die Rede. Sowohl Form als auch Platzierung in der Lunge sind ungewöhnlich. Frau T. hätte gern eine Bronchoskopie, sie verschafft mir noch in der gleichen Woche einen Termin in einer Klinik im Friedrichshain. Eine Donnerstagmorgens betrachtet der Oberarzt der Pneumologie die CTs und Bilder, die Berichte, und bestellt mich für den nächsten Morgen zum TEE – dem Schallecho, einer Prozdeur, bei der man einen Schlauch schluckt, der die Aktivitäten der Herzklappen filmt. Des Arztes Instinkt trügt ihn nicht. Die Lungenentzündung ist verursacht von einer Entzündung der rechten Herzklappe.

Eingestellt auf eine, vielleicht zwei Krankenhausübernachtungen, ändert sich die Dauer des Aufenthalts auf unbestimmt. Ich bekomme morgens, mittags, abends Antibiotika und werde sogar nachts um 4 für einen Tropf geweckt. Ich schlafe selten mehr als drei Stunden am Stück, die Krankenhausstation erinnert, was Lärm und Aktivität angeht, an eine Notaufnahme nach einem Zugunglück. Aber dennoch, vielleicht deswegen, hier ist ganz deutlich spürbar – hier wird sich um die Patienten gekümmert. (Und wer es unbedingt wissen will, und mittlerweile verstehe ich die Wichtigkeit der Information: das Essen ist passabel.) Es klingelt, fiept, brubbelt (Sauerstoffversorgung), manchmal wird gekrischen oder geschrien, oft aber auch gelacht. Schuhe quietschen auf Linoleum. Das ist Berlin-Brandenburg hier, incl. Mutterwitz und Galgenhumor. Eine Schwester verrät mir sogar die heimliche Raucherecke, nicht ganz legal, aber besser als „den Kerl mit drei Infusionen nach unten zu schicken und nachher kippt der mir um, weess ick, wie der dit Zeuch verträcht.“ –es heißt ja nicht umsonst Anti und Bio. Gefragt, ob ich den ganzen Quatsch nicht oral und zu Hause nehmen kann: „Denn wärnse innerlich tapeziert mit Geschwüre und Pilze.“ Yum.

Für Abwechslung sorgt das Bett neben mir (ich bin in einem Zweibettzimmer mit Klo und Dusche übern Gang untergebracht. Aber duschen tut außer mir offenbar eh keiner, die Männer zumindest nicht, die scheinen selbstreinigend zu sein. Ich habe auch fast keinen Mann mit einer Zahnbürste in der Hand erspäht. Ich muss ein Weichei sein, das Millionen in Zahnpasta verschwendet hat. Ich könnte vermutlich privatversichert sein!) In 14 Tagen kommen ich auf 11 Zimmernachbarn, von allem ist was dabei. Fast alle kommen zum Herzkatheter, danach müssen sie 6 Stunden ruhen und können derweil sonst keinen Unfug anrichten. Die Station findet, dass das zu mir passt. Tatsächlich liegen hier ein paar Längerfristige, mit denen ich nur ungern das Zimmer teilen würde. Die Fraktion, die im Schlüpfer durch die Gänge grast und die jüngeren Pflegerinnen als „mein Mädchen“ bezeichnet. Bein stellen nutzt auch nichts, dann bleiben die noch länger…

Bei den Visiten werde ich langsam darauf vorbereitet, was mich erwartet. Sofern die Antibiose erfolgreich ist, wird sie vier bis sechs Wochen durchgezogen. Sofern nicht, und das wird der nächste TEE-Schlauchschluck erweisen: „Dann müssen wir die Herzklappe ersetzen Herr Ludewig. Aber das ist mittlerweile eine Routine-OP.“ Der Ernst der Lage wird mir erst hier bewusst. Es wundert mich nicht, dass das Schweineherz es noch nicht in die Popkultur geschafft hat. Nichts für Katy Perry. Aber Sia? (Die hat immerhin schon ein „Elastic Heart“!) Persönlich finde ich die Vorstellung von Ersatzteilen etwas krank und vorzeitig. Aber vielleicht ist das der Tribut aller Schweine, die ich nie gegessen habe. Sie opfern mir eine Klappe der Ihren! (Cue Julio Eglesias: „To all the pigs I never ate before….“ Gut, dass es nicht Puten sind, die darüber entscheiden müssen, da wäre meine Bilanz weniger vertrauensbildend.)

Bei TEE 2 bin ich schon Profi. Zunächst wird der Rachen mit einer örtlichen Betäubung ausgesprüht, dann wird Michael Jacksons Lieblingsmedikament, Propofol, an den Zugang gekoppelt und in Würgmomenten die Venen hochgejagt. Danach ist man fit und kann sofort die Ergebnisse der Aufnahme besprechen. Und bei der richtigen Dosierung Propofol spürt man von der Prozedur rein gar nichts. Nein, der zu schluckende Schlauch ist nicht so breit wie ein Strohhalm, eher wie ein sehr sehr langer Vibrator, nur dass er nicht vibriert, sondern filmt.

Die Ergebnisse sind so, dass die Schweine vor Freude mit den Klauen klatschen: Die Antibiose war erfolgreich, das 1,4cm was-auch-immer, das sich da an meiner rechten Herzklappe zu schaffen gemacht hat, hat sich unter dem chemischen Bombardement zurück gebildet. Keine neue Klappe erforderlich.

Bei allem Behandlungserfolg macht mir die Situation zu schaffen: der Schlafentzug, das enge Zimmer mit den ewig wechselnden Bettnachbarn, die Abwesenheit von Rückzugsmöglichkeiten, das Klo übern Gang. Zwei Wochen kann man das mal machen, aber vier bis sechs? Hinzukommt die Koordination des eigenen Lebens, was sein Vorhandensein außerhalb des Krankenhauses anbelangt. Zwei Wochen lang haben sich Freunde gekümmert – Wäsche gewaschen, Post geholt, Fanta und Cola (und auch mal ne Flasche Wein) mitgebracht. Meine Eltern (75 und 82) würden mich gern besuchen, trauen sich aber die Fahrt nach Berlin nicht mehr zu. Wenn die Familie also nicht zu mir kommen kann, vielleicht ich dann zu ihr, zumindest in die Nähe? Meine Ärzte stimmen zu – die Antibiose kann eigentlich an jedem Krankenhaus verabreicht werden. Sie unterstützen eine Verlegung. Sie empfehlen, die Antibiose vier bis fünf Wochen fortzusetzen. (Selbst nach einer Klappen-Transplantation sind sechs Wochen Antibiose üblich). Das meinen Eltern nächstgelegene Krankenhaus (außer dem, in dem mein Entzündungsstatus übersehen wurde) liegt im Harz, außerdem arbeitet dort auch noch mein „Bekannter“, d.h. meine Harz-Romanze, dem ich nicht einmal übel nehme, dass er verheiratet ist und drei Kinder hat. Er war damit (fast) von Anfang an offen und ich habe nicht vor, seine Familie zu zerstören, ich bin da für die andere Seite seiner bisexuellen Identität. Und Fazil, so stellt sich zu meiner großen Überraschung heraus, arbeitet nicht etwa in der Notaufnahme, sondern – auf der Kardio! Er ist begeistert von der Idee, dass ich auf seine Station komme, meine Eltern erleichtert, dass ich 10 und nicht 250 km entfernt bin. Die Kardio in Berlin, dass ein Bett frei wird. Alle glücklich. Ich auch. Wäre da nicht…

Fortsetzung folgt

8 Gedanken zu „Whatever happened to Baby Glam (so far)

  1. Hans-Georg

    Das hört sich ja alles ziemlich schlimm an und ist es ganz sicher auch. Die Frage ist, wo und wie man sich eine Herzklappenentzündung holt?
    Verliere deinen Humor nicht und gute Besserung!!!

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  2. hühnerschreck

    ach du meine güte …!
    gute und vollständige besserung wünsche ich. bloß gut, dass sich das dings an der herzklappe unter der antibiose zurückgebildet hat, routine-op hin oder her. antibiotika sind ein zauberzeug.

    get well soon!

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    1. glamourdick Artikelautor

      im nächsten krankenhaus war das zimmer geräumig, aber die besetzung abartig. cheers to friedrichshain. (mal abgesehen von der jeschichte, die ich mir dort einjefang hab.)

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  3. mouchi

    Ja, das Krankenhaus im Friedrichshain. Ich war dreimal da, die ersten beiden Male mittels RTW. Furchtbare Erfahrung Bein ersten Mal: Ich wurde ins künstliche Koma versetzt wegen zu wenig Sauerstoff im Körper. Die folgende Diagnose auf eine Herzkondition stellte sich beim zweiten Mal als falsch heraus, auch da landete ich nach RTW auf der Intensivstation, aber diesmal hatte der Oberarzt die Oberärztin gewechselt, der neue war sehr kompetent. Das dritte Mal war nicht so wichtig, kein RTW im Spiel, nur ein Besuch für ein paar Tage auf der neurologischen Station, der Verdacht auf Schlaganfall hat sich nicht bestätigt.

    Das erste Mal war es eine Erfahrung der dritten Art, ich wünsche es niemandem auf der Intensivstation aufzuwachen. Meine Erfahrung habe ich hier beschrieben, well, may be kind of Amateurlike:

    http://www.hannaxel.de/2009/08/18/wiedergeburt/

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  4. glamourdick Artikelautor

    ich hab das team im f-hain als hard-working erlebt, im gegensatz zu anderen hospitälern. dennoch ist das resultat der erfahrungen: nie wieder krankenhaus, wo man die menschenwürde beim einchecken abgibt. lieber verreck ich.

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