14, die 2.

Es ist August 1982. Ich bin gerade geboren worden. An meine ersten einundzwanzig Tage habe ich keinerlei Erinnerung. Die setzt erst ein, als mich jemand (wer das war, habe ich vergessen) auf der Straße anspricht.
„Wann kommstn Du wieder zur Schule?“
„Ja, so demnächst.“

Und als er zurückkam, war er ein neuer Mensch, einer der gestorben und ganz neu wieder geboren war. Mit dem man nicht mehr den blöden Scheiß anstellen konnte, wie mit dem anderen davor. Jemand mit einer mysteriösen Aura, mit Hollywood-Babylonischer Tragik geedelt, mitten im niedrigsten niederträchtigsten Niedersachsen. Jemand, der sein Anderssein jetzt als Aufforderung begriff, es zu kultivieren, es so in den Vordergrund zu stellen, dass alles, was vorher nur ungewollte Angriffsfläche geboten hatte, von nun an die reine pure Aufforderung zum Kampf sein sollte. Face me fuckers! Hate me so I can hate you back*. Und endlich mal machte er den anderen Angst und nicht umgekehrt.
Aber das Kind, das mit 14 Jahren verstorben war, von dem er dachte, dass es nichts mehr mit ihm zu tun hat, das regt sich manchmal noch. Ein Gespenst, das sich schwer abschütteln lässt. Seine eigene Leiche im Keller.
„Und wie denken Sie heute über den kleinen Glam?“
Er tut mir Leid Er tut mir Leid Er tut mir Leid „Er nervt.“
„Aber ein bisschen Mitleid haben Sie schon mit ihm, oder?“

* Die Kommasetzung überlasse ich Judith Holofernes.

6 Gedanken zu „14, die 2.

  1. brittbee

    Versöhn Dich mit dem kleinen Glam. Kein Wunder daß er Dir wie ein Spuk erscheint, wenn Du so hart mit ihm bist.

    Ich mag ihn und er wird schon nicht schwieriger gewesen sein als jeder andere- in diesem schwierigen Alter.

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