GEDULDIG UND FRIEDENSREICH oder GLAM, DAS LAMM, EXPOSED

glamlamb12-3-06

Man nehme einen Tag, keine beliebigen, einen mit besonders viel Stressfaktoren – der Deutschen liebster Einkaufstag, Samstag. Es schneit. Der Schneematsch spritzt, wie es sein Anliegen ist, auf die Trottoirs während Glam und Lucky sich im silbernen Wagen in Tempo 28 durch ausgewiesene 50er Zonen quälen. Doch sie quälen sich nicht. Sie scherzen, fluchen nur manchmal ein wenig, aber sonst wären sie ja wohl auch keine Berliner. Lucky hat ein neues Bad und eine neue Küche – beide wollen möbliert sein. Glam möchte das Alphabet in seine Musiksammlung bringen, dazu benötigt er ein ansehnliches CD-Aufbewahrungssystem, die beiden befinden sich somit auf der Road to Ikea. Der Parkplatz lässt vermuten, dass auch einige Tausend andere Berliner das schlechte Wetter nutzen, um bei Ikea das Bistro zu stürmen, hat es doch mehr Flair als Burger King oder eine Döner-Dependance. Die Mutter-Kind-Parkplätze sind belegt, die schwulen Parkplätze immer noch nicht eingerichtet, also parkt man weit hinten, außen. Plätze, die man keinem Theatergänger verkaufen würde mögen, handelte es sich um ein Theater und keinen Parkpklatz. Durch Schlamm und Modder stiefeln die beiden ins Einrichtungshaus. Dort angekommen müssen sie sich nicht mehr selbst bewegen, sie werden getragen wie in einem Strom. Wäre es jetzt doch ein Theater, dann glitten Lucky und Glam als Stagediver druch die Massen. Das Einkaufswägelchen überfüllt sich mit Zauberhand, die unförmigen CD-Aufbewahrungsmöbel-Pakete verweigern störrisch den Transport, an der Kasse stehen nur ein Dutzend Menschen vor einem, Man ist als nach gut zwei Stunden wieder auf dem Parkplatz, der praktischerwese an einen Baumarkt grenzt. Dort schlägt Glam ein Schnäppchen (Scheibenwaschanlagenwasser mit Frostschutz bis -30° für nur eins achtenfuffzisch.) Und Lucky fällt ein, dass er vergessen hat, sich einen Duschvorhang zu kaufen.
„Macht doch nix. Gehst Du halt nochmal rein. Ich kauf mir am schwedischen Lebensmittelstand eine Flasche Vanille-Vodka, derweil.“
Lucky holt Duschvorhang, Glam Vodka. Glam knabbert an einer Tafel Apfelsinenkrokantschokolade und schaut sich nach attraktiven Männern um. Das Warten macht ihm gar nichts aus, fällt ihm dabei auf. Er steht in einer wabernden Menschenmasse und ist die Ruhe selbst. Und das, obwohl er vor Wochen das Johanniskraut abgesetzt hat.

„Wollen wir noch zu Kaisers?“
„Na wenn schon denn schon“.
Bei Kaisers ist es nicht ganz so voll, das geht also ruckzuck. Voller Vorfreude auf die Basteleaktion die vor ihm liegt, liefert Glam Lucky zu Hause ab und vergisst über der Vorfreude aufs Möbelschraubem, dass die beiden Benno-Regale in weiß erstmal in den 5. Stock transportiert werden müssen. Aber auch das gelingt ihm, auch wenn danach sein Rücken wieder kreischt wie kürzlich nach Franks Unzug. Es kommt zum schönsten Teil: die erworbenen Hausverschönerungsgegenstände in der Wohnung drapieren, Werkzeug zusammensuchen, Pappe zerreißen und schrauben! Bennos Aufbau ist in einem Pamphlet liebevoll gestaltet und im schraubumdrehen nachvollzogen, da bemerkt Glam, dass die Deckenplatte nicht wie die anderen Platten mit Bohrlöchern versehen ist. Hm. Das sieht ihm aber sehr nach Konstruktionsfehler aus! Denkt er. Aber er schaut noch einmal das kleine Montageheft an, um sicher zu gehen. Packt den zweiten Benno aus, siehe da – das Deckenplättchen Bennos des Zweiten ist intakt. Jetzt müsste eigentlich der Moment kommen, wo Glam austickt und den fast fertigen Benno durch die geschlossene Terrassentür knallt. (Nochmal einpacken, back to Ikea, nochmal durch den Laden, nochmal hochschleppen AAARRRGGHHH) Mais non. Glam kocht einen Kaffee, telefoniert schnell noch einmal mit Frau Frost wegen der Karten für nächsten Sonntag, Glam sucht sich die Ikea-Hotline im Internet und findet sie nicht. Also ruft er die Auskunft an (es ist mittlerweile 18.00 Uhr) und dann den alten Schweden, der ein auffächernd geästeltes System des „dann drücken Sie bitte die Taste 1 – 26“-Antwortgerät am anderen Ende der Leitung hat. Nach gefühlten 17 Minuten dann eine Kundenberaterin. Da Glam noch immer gut gelaunt ist und eine unverschämte innere Zuversicht ausstrahlt, dass diese Dame, an diesem kalten schneematschigen Samstag voller Freude seinen Reklamationswunsch geradezu von Zauberhand und mit Charme, Esprit und Wärme erfüllen wird, tut sie das ganz einfach.
„Es tut mir Leid, Herr Dick, früher konnten Sie das defekte Möbel einfach zu uns zurück bringen. Heute nehme ich Ihre Reklamation auf und wir tauschen das Teil per Post. Sie bekommen es direkt aus Schweden, das kann so zwei Wochen dauern.“
Glam bedankt sich, weil er froh ist, überschwänglich. Pfeift eine kleine schwedische Melodie („Newfound Lover“, Tuva Novotny), setzt sich auf das von Lucky geschenkte rosa Lammfell und fängt schon mal an die CDs alphabetisch zu ordnen.

Tags darauf: Alle CDs sind geordnet und sobald das Benno-Ersatzteil in der Post ist, herrscht hier musikalisch Ordnung! Garland, Gogos, Guns ´n Roses! Und der Ipod spürt, dass es Sonntag ist und kombiniert Hildegard Knef mit Justus Koehncke. So muss es sein.

24 Gedanken zu „GEDULDIG UND FRIEDENSREICH oder GLAM, DAS LAMM, EXPOSED

  1. luckystrike

    hihi, da muß dann gestern etwas in der luft gewesen sein, das eskalationen verhindert hat. ich depp hab ja nicht nur beim ersten durchlauf den duschvorhang vergessen (weswegen ich ja in erster linie hin mußte) sondern auch noch viel zu wenig farbe gekauft, und konnte deswegen nicht zuende streichen & basteln, genau wie du!
    normalerweise hätte das ernsthafte schreikämpfe, zerschlagene gegenstände und blutige hände zur folge gehabt, aber so hab ich mir nur lecker was zu essen gekocht.
    vielleicht sind im apfelsinenkrokant auch beruhigungsmittel?
    thank you for driving diss maisy!

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  2. schoko-bella

    super, klingt trotz hindernisse nach einem entspannten tag. ich liebe einkaufen, bummlen, und danach beute auspacken, aufbauen, bestaunen und wohlfühlen. hach, ich muß unbedingt zu ikea! 😉

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  3. luckystrike

    das hab ich auf den ersten blick gesehen, daß dir das steht! ich fürchte fast, wir müssen noch 5-10 mehr jaufen, dann legen wir dir die ganze wohnung aus – and walk on sheep.

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  4. glamourdick

    REPLY:
    ich spiele mit dem selben gedanken. ein hellblaues noch und eins in rosa. maybe two. für so ums bett rum. aber ich habe bisschen schuldgefühle wegen der lämmchen. bei meiner karnickeldecke weiß ich ja zumindest, dass die gefressen worden sind. aber weil ich so auf tote tiere stehe gibt es jetzt in schweden keine lämmchen mehr. but then again – ich hab schon soviel für die belange der elefanten getan, scheiß auf die lämmer. mäh-äh-äh!

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  5. raketenprinz

    wer braucht sonnenschein bei einem so sonnelaunigen herrn dick? toll. ich muss eh nächste woche on the road to ikea. apfelsinenkrokantschoki wird dann auch gleich eingetütet. soll ich jemanden ne palette mitbringen?

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  6. glamourdick

    REPLY:
    mir lieber nicht. bin gerade zu fett. und stolz darauf, heute den ganzen tag um die tafel getigert (margo channing-like) ohne bislang darüber hergefallen zu sein. aber ich muss wohl selbst noch zu ikea – diese idee mit den pudelfarbigen fellen ums bett…. too glam maybe? (man soll es ja beispielsweise auch mit kerzen nicht übertreiben).

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  7. luckystrike

    REPLY:
    ui, wenn du mochma fährst, kannst du mir noch so nen duschvorhang mitbringen? meiner ist zu schmal. nicht für mich, aber für die wanne, d.h. um ganz drumherum zu gehen. die wanne, nicht mich.

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  8. Ella Veen

    ja, das mit worten und ihren verschiedenen wertigkeiten für den jeweils einzelnen ist schwierig, aber vielleicht ist das auch nur ein deutsch-österreichischer Sprachgraben – bei uns bedeutet das jedenfalls das gleiche wie „schön“, das wort das ich vielleicht als Deutsche verwendet hätte ….. kleines wort, großer aufwand 😉

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  9. glamourdick

    REPLY:
    ich habe schon erwogen, mir daraus kleidungsstücke herstellen zu lassen. aber ist vielleicht ein bisschen drüber. zumindest vor der cocktail hour.
    die correspondance zwischen den beiden bilder ist vraiment extraordinaire, n´est-ce pas!

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