STAR STRUCK oder GHOSTWRITING

1995, ich konnte einfach nicht mehr freundlich sein. Die Leute um mich herum wurden mir zuviel. Der Job im Theater war eine dysfunktionaler Rummelplatz geworden, auf dem zu laut gebrüllt wurde, und ich wollte nichts mehr, als mich daraus zu befreien. Eigentlich lag das nur an dem Langhaarigen, mit dem ich zu Nirvana getanzt hatte und dann hatten wir uns geküsst und Lippenstift verschmiert und uns unter unseren langen Haaren heraus verliebt angeschaut und es wurde doch nichts daraus. Der wär´s gewesen, das war mir klar und das schlug mir ein halbes Jahr so sehr auf die Stimmung, dass ich einen Rückzug brauchte. Ich war Mitte 20 und bitter. Neuanfang. Und so wurde aus mir der studentische Geschäftsführer eines feinen kleinen Plattenlabels das zwei namhafte Künstler der Chanson-Szene ins Leben gerufen hatten, um ihre CDs selbst zu produzieren. Ich kannte die beiden als Performer und freute mich, in ein Feld zu wechseln, wo ich so wenig wie möglich mit meinen Bossen zu tun haben würde, die lebten nämlich nicht in Berlin und waren die meiste Zeit auf Tournee. Keine Freundschaften, keine Kungeleien, kein Rummelplatz. No tears no tangles. Ein Büro ganz für mich allein, was ganz schnell etwas langweilig wurde, aber dann holten wir langsam andere Künstler aus der Szene mit ins Boot und ich hatte viel zu tun. Mit einigen verbindet mich heute noch Freundschaft. Mit anderen habe ich mich vor Gericht getrennt. Einige Begegnungen aus dieser Zeit haben für mich historisches Ausmaß.

Spätestens, als ich mit meinem damaligen Chef zusammen zog, musste ich mir die Frage stellen, ob ich mich durch Freundschaften zu Promis aufwerten wollte. Irgendwann später dann stellte ich mir die Frage, ob ich durch die Freundschaft zu Promis meinen eigenen Status kleinhalten wollte. Ich bekam ja den Glanz vom Rande her ab, was will man mehr? Ich spiegelte mich in meinen Starfreunden, sah Aspekte meiner Selbst, manchmal auch meinen Einfluss, eine Inspiration. Anstatt mich nach meinem ersten eigenen Buch publizistisch weiter zu entwickeln, nahm ich einen langjährigen Ghostwriter-Job an, zu einem Zeitpunkt, wo ich bereits intensivst in meine Sozialphobie verstrickt war und jede Aufmerksamkeit, die man mir entgegen brachte, einer Bedrohung gleichkam. Gespenstisch, in der Tat. Mit der Porno-Queen Essen zu gehen war, obwohl wir befreundet waren und die Zeit miteinander genossen, ein zweischneidiges Schwert – zuviel Aufmerksamkeit für meinen Geschmack.

Schreiben und veröffentlichen schien mir immer der geeignete Weg, mich auszudrücken, ohne dabei gesehen zu werden – das Gespenst hinter dem Text. Ich habe nie einen Verlag um Publicity-Maßnahmen oder Lesetourneen gebeten – dafür wäre ich viel zu nervös gewesen. Aber es hat mich durchaus geehrt, in der Fiktion von anderen aufzutauchen, in einem Lied oder einem Buch oder einem Dankeschön in einem Booklet meines Schweizer Lieblingssängers. In Buchstaben. Oder gebannt in eine Fotografie, eine geklatschte Elfe.

Fiktion hat mich immer beflügelt – sei es, wenn ich las oder wenn ich schrieb. Ich wollte alles immer etwas larger-than-life, etwas pointierter, etwas glamouröser.Celebrity-struck war ich seit frühester Kindheit. Hollywood war meine Bibel. Und als Kind hatte ich durchaus die Sehnsucht, selbst ein Star zu werden. Berühmt, geachtet. Ab einem gewissen Alter stand die Angst dem im Weg. Next-best war wohl, mit den Stars etwas zu tun zu haben. „Glam kann gut mit schwierigen Leuten“ hieß es. Das kann ich jetzt nicht mehr und ich vermisse die Fähigkeit nicht. Wenn jemand sich wie ein Arschloch aufführt, denke ich nur „Arschloch“ und behandle ihn nicht wie einen Tanzbären, den es zum Trick-Vorführen zu überlisten gilt.

Meine Angst und mein Berufe passten gut zusammen und als ich die Berufe verlor blieb zunächst einmal nur die Angst. 3 Wochen kurz vor dem Selbstmord, dann die Entscheidung, mich um mich selbst zu kümmern und gesund zu werden. Denn erst als ich sprichwörtlich arbeitsunfähig wurde merkte ich, dass die Phobie so ausgeprägt war, dass ein Vorstellungsgespräch für einen neuen Job undenkbar war. Insane? Maybe not. Crazy, edgy, neurotic – for sure. Phobia ist nicht von ungefähr kein Mädchenname.

10 Jahre among the Stars. 2 Jahre in Therapie. Und jetzt langsam ein Gefühl dafür, wer ich bin und warum und wer ich eigentlich sein will. Ein paar Tricks, die Angst im Zaum zu halten. Eine Entschlossenheit, mich aus Gefängnissen zu befreien, auch auf die Gefahr hin, im nächsten zu landen. Die Elfenbeintürme stehen leer. Lasst den Elefanten ihre Zähne. Es gibt da draußen etwas, jemanden – irgendwo zwischen Liebeslied und Pornofilm. Der Aufstieg beginnt auf dem U-Bahnhof, tief, tiefer, „denn irgendwo in der Tiefe gibt es ein Licht“. Ehrlich. Ganz in echt.

7 Gedanken zu „STAR STRUCK oder GHOSTWRITING

  1. spango

    so lange „geklatschte elfen“ noch so fliegen können. schreib-schwebend. so lange man eine elfe ist und sich richtung licht orientiert. so lange braucht man keinen glanz von den rändern.

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  2. luckystrike

    darling gestern habe ich ein paar stunden hier gelesen und mich regelrecht verloren in deinem Universum – so schön! und auch wenn ich dich nicht eh so gut kennen würde, würde ich sagen ‚you’re a star in your own right – shine that light!‘

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  3. Jekylla

    eloquent begruenden, warum mich der Text jetzt so beruehrt hat. Ich kriegs aber gerade nicht zustande. Nehmen Sie es also einfach unerklaert hin. Touched my soul, Mr Glam.

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  4. blogger.de:kittykoma

    witzigerweise tut es gar nicht weh, zu merken, wer man ist. klingt blöd, ich weiß. aber wenn das dieses ziehende gefühl weg ist, das einen schon existenziell in der nähe von „stars“ (what.ever.it.is!) hält, die narzistische maskenparade vorbei ist und dann eine persönlichkeit aus dem ei kriecht, das ist groß.
    geklatschte elfe. den begriff schreib ich ins album genialer wörter.

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