THERE´S A LIGHT

„The darkness must flow down the river of night´s dreaming. Flow, morphia slow, let the sun and light come streaming into my life….“

Bis heute habe ich einen wiederkehrenden Traum. Ich bin zufällig in der Stadt in der ich meine Schulbildung aushalten musste, ein junges Mädchen spricht mich an und sagt „Du musst einspringen. Der Typ, der Deine Rolle spielt ist krank.“ Und dann tue ich, wie mir anempfohlen, und weiß nicht wie, aber ich krieg es hin. Mit viel Improvisation, aber es geht. Nicht, dass es sich gut anfühlt, aber es geht. Und der Applaus entschädigt für alles.

Steh ich also so in der Raucherecke mit meinen coolen Rauchereckenfreundinnen und wir rauchen cool unsere Benson und Hedges und da kommt eine aus der Zwölften und hat den Kopf so gesenkt, traut sich nicht so richtig, mir in die rauchenden coolen Abi-Augen zu schauen und sagt „Ich bin die B. und wir machen von der Theater AG dieses Jahr in der Aula die Rocky Horror Show und wir wollten Dich fragen, ob Du mitmachst.“
Es macht klick, es macht klack und ich hebe ihr Kinn, schaue ihr in die schüchternen Augen und sage: „Ihr müsst Euch einen anderen Frank suchen, Schätzchen. Wenn ich mitmachen soll, dann bin ich RiffRaff.“ Und so kam es, dass meine Eltern mich kurz vor meiner Bundeswehrflucht Emigration nach Berlin noch auf einer niedersächsischen Bühne zu sehen bekamen. Mit Laserpistole und in Strapsen. Time fucking WARP. Den RiffRaff habe ich geliebt, den Richard O´Brien, wenn er Haare gehabt hätte, hätte ich begehrt. Diese Underdog-Rolle, diesen Glamourisierungs-Nazi-Prozess zum Schluss, das war für mich die Teenage-Katharsis deluxe. Ihr-Wichser-die-Ihr-mich-all-die-Jahre-drangsaliert-habt-Euch-spring-ich-in-die-verklemmte-Fresse-Dick-first. Wenn jemand mein Leben als Roman schreiben müsste, dann würde er mich im Schulabschlussjahr den RiffRaff spielen lassen und es wäre übertrieben. Und genau so war es. Eben-noch-mit-Leberwurstbrötchen-im-Schulbus-beschmissen-und-jetzt-auf-Eurer-Showbühne-als-Show-Schwuchtel.

Sitze ich also in der zehnten Reihe und denke, na ja – ist n Stück, das ist kaum tot zu kriegen. Sogar ich bin hier, und ich geh ja sonst nicht ins Theater. Aber es findet in dem Theater statt, wo ich meist nach der Pause gehe. Dann kommt Magenta raus und singt, was eigentlich RiffRaff gehört. Science Fiction Double Feature. Und mein Geist reist zwanzig Jahre zurück. Aber was ich sehe, ist einfach gut gemacht und es zieht mich immer wieder zurück in den Saal.

Brad, Janet, schlaue Rückprojektionen, solides Spiel und dann der antizippppppppppierte Moment, in dem Frank auftaucht. Hab ich erwähnt, dass Frank N. Furter mich nie vom Sockel gehauen hat? Ich mochte weder Tim Curry, noch den Typen mit den fisseligen Haaren, der ihn in der Schulinszenierung gespielt hat. Zweite Wahl nach mir. Aber hier, im Admiralspalast, mit Marlene-Perücke präsentiert sich ein Zuckerstückchen mit Monsterstimme. Ich bin von der ersten Sekunde an hingerissen. Ich möchte ihn ablecken, aber nicht ohne vorher mit ihm in Fellen und Seide gekleidet den Time Warp getanzt zu haben. Forget Tim Curry. Quickly. Wenn die Produktionsfirma es geschafft hätte, pünktlich zur Preview die Programmhefte am Start zu haben könnte ich Ihnen jetzt sogar den Namen des Darstellers mitteilen. Schade. Hm. Und der Rocky! Walt Disney´s Hercules come to life. A big blond booby baby. Was der Film-Rocky an früh geborener Verstörtheit hatte, gestaltet der Berlin-Rocky mit freudiger Naivität. Er verkörpert nichts Geringeres als Joi de Vivre. Beim Auftritt von Little Nell denke ich an Bianca, die eine der langsamstsprechenden Schülerinnen meines Jahrgangs war, außer, als sie die Little Nell in den Aulabühnenboden steppte wie eine Adèle-Astaire-Dildo-gefickte Tanznudel. DIe Erinnerung an Bianca ist das letzte, was mich vom Rocky-Horror-Schauen noch ablenkt. Ich überlege ob ich sie mal über eine dieser Schuljahrgangssuchseiten recherchieren sollte und dann schon bin ich nur noch im Stück. Es rockt, es glamt, es glitzert und schwippt, es packt, enthusiasmiert. Es ist sweet, sexy, silly. Die Floor-Show floort das Publikum. We are entering Grand Glam, Dahlings. Here come the FEATHERS!

Überrasche mich, wie sehr die Rocky-Horror-Show noch funktioniert. Für Spießer, die einfach ooch mal Glitzer im Haar haben möchten; für Elternmenschen in meinem Alter, die Kinder haben, die jetzt in dem Alter sind von Kerlen, mit denen ich ficke; für Leute, die mal RiffRaff gespielt haben; für alle, die sich von Judy G.´s ewig gültiger Maxime unterhalten lassen: a laugh, a cry and a tap to the foot. Wenn Sie sich einen fetten, glammen Abend geben wollen, liebe Leserinnen und Leser, go see Rocky at Admiralspalast. It´s worth every fucking penny. Dafür hat der liebe Gott die Theatersaison für den Herbst anberaumt: damit ein Stückchen Glitzer sich durch die Finsternis und Kälte stiehlt, unser Herz durchbohrt, entflammt, und uns wie mit Engelsflügelsfedern bepinselt die Friedrichstraße hinabweht. There IS a light.

Ich glitzere immer noch.

(Aber der arme RiffRaff litt unter der Inszenierung und konnt nicht so komplett schimmern wie ich damals. „Glamour Dick als RiffRaff: Bizarr, mystisch diabolisch“ schrieb meine geliebte Werte-und-Normen-Lehrerin Frau Tsch. in der Bad-Käseburg-Tageszeitung und meine Mutter hat es nicht gerahmt, vermutlich wegend des Straps-Fotos. Und ich wünschte, ich hätte Fotos. Wir wissen doch alle, dass Riff der Star ist. Muss man dem Regisseur vielleicht mal sagen. Und der Musical-Schulen-ausgebildeten Magenta das Intro-Lied wegnehmen. Bitte bitte.)

5 Gedanken zu „THERE´S A LIGHT

  1. brittbee

    @lucky
    nein, weirklich nicht. magenta hätte, früge man mich, mala einen traubensaft nötig, die ist etwas blass. aber sonst: volltreffer.

    erwarte nichts und du bekommst alles. war ein ganz toller abend. nun ja, war ja auch ne glam night, was hatte ich erwartet.

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  2. glamourdick

    REPLY:
    aber sie hat die haare schön. überhaupt, wie konnte ich in obigem beitrag nur eine perücke erwähnen?! great great hairwork – außer bei riff. der hätte zum schluss ein bisschen haarspray verdient

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