SICKDICK HITCHCOCK oder TIPPI´S REVENGE

Es gibt wenige Filme aus Hitchcocks wichtigster Schaffensperiode – von 1935 (The 39 Steps) bis 1964 (Marnie) – die ich nicht mag. Vermutlich ist Hitchcock sogar der Regisseur, von dem ich die meisten Filme auf DVD besitze, was sich nicht durch die außergewöhnliche Länge seiner Schaffenszeit erklärt, sondern durch den unterliegenden Zynismus, mit dem er die Welt in Filmbilder packt. Der funktioniert heute noch. Hitchcocks Protagonisten müssen leiden, werden auf Quests geschickt, zum Außenseiter gemacht – eine Formel, die auch auf die meisten Disney-Filme zutrifft, wenn man vom Zynismus absieht. Es gibt allerdings einen Film, dessen Kultstatus ich nie verstand und den ich geradezu widerwärtig finde. Kim Novak, das No-Talent mit dem Gesicht einer Fleischtasche ist sicherlich ein Grund dafür, aber erklärt nicht vollständig meine Abneigung gegenüber „Vertigo“.

James Stewart läuft Kim Novak über den Weg. Sie trägt eine fiese brünette Perücke und absurde Augenbrauen. Er gestaltet sie um (als ob da noch was zu retten wäre), nach dem Vorbild der Frau, dessen Tod er glaubt mitverschuldet zu haben. Natürlich IST Kim Novak die ursprünglich umgekommene Blondine und muss ihr Leben ein zweites Mal lassen, so will es die Moral (und ich hätte dem knarzenden Holzstück auch kein Überleben gewährt). Das abgrundtief widerliche an diesem Film ist wohl, dass wir Alfred Hitchckock beim Seelen-Strip zusehen. Will man das? Nein. Ein Mann, der Frauen formt, stilisiert, denaturalisiert. Dessen Schauspielerinnen leiden müssen. Er spricht sie erst heilig, macht aus ihnen ein Kunstwerk, um sie dann zu zerstören. Dieses Thema durchzieht sein Werk wie ein roter Faden – wenn Doris Day mit strammem Lungegeneinsatz „Que sera“ BRÜLLEN muss, um ihr entführtes Kind davon in Kenntnis zu setzen, dass Hilfe naht und sich so gleichzeitig dem Publikum der Lächerlichkeit preisgibt bis zu den wirklich geschmacklos gefilmten Morden in „Frenzy“, die aussehen, als entstammten sie dem Wet Dream eines Sexualstraftäters.

Bei Hitchcock sind Männer Triebwesen. Selbst so kultivierte Gestalten wie Cary Grant werden gezwungen, die Kultur zurück zu lassen, und um ihr Leben zu laufen. Dem Familienvater-Star James Stewart gibt er eine Kamera zum Spannen oder lässt ihn per Kim Novak seine nekrophile Ader finden. Die Frauen sind Lichtgestalten, sie haben die Natur korrumpiert mit ihrer Schönheit aus der Tube und den auf den Leib geschneiderten Kostümchen. Sie sind lackiert und Hitchcock veranlasst, dass am Lack gekratzt wird. Dass ausgerechnet eine Transe Janet Leig in der Dusche attackiert – Sigmund Freud, analyze this.

Hitchcocks Frauen sind zum Teil so sark, dass man die männlichen Darsteller nicht mehr wahrnimmt. Aber es ist als ob man einen LKW neben einen Airbus stellt. Armer John Gavin.

Das Böseste was Hitchcock je tat war das, was er in „Vertigo“ ankündigt und in der Wirklichkeit mit Tippi Hedren umsetzte. Einen Menschen kreieren, emporheben, nach seinem Ideal gestalten. Zwei Filme mit ihr zu drehen und sie dann nicht aus dem langjährigen Vertrag zu entlassen, weil sie seine Besessenheit nicht erwidert. Sie drei Jahre kalt zu stellen. Doch wenn man sich anschaut was auf „Marnie“ noch an Filmen folgte – sein Oeuvre war ausgeschöpft. Er hatte seinen mörderischen Traum ausgelebt, sein Pulver verschossen. Danach kamen nur noch vier äußerst belanglose Filme, dann war Schluss.

My personal favourite. Danach hätte er aufhören können.

Inspired by this and this and this.

8 Gedanken zu „SICKDICK HITCHCOCK oder TIPPI´S REVENGE

  1. herrtwiggs

    wusstest du, dass sich tippi hedren und herr hitchcock währen der dreharbeiten zu „marnie“ zerstritten und er alles daran setzte, dass die letzte zusammenarbeit einen flopp hervorbringen sollte?

    ich liebe übrigens brenda de branzie in „the man who knew too much“. in der ambrose chapel trägt sie so ein feines outfit und hat diesen weichzeichner auf dem gesicht. ich bin jedesmal vollkommen verzückt.

    außerdem war sie sicher vorbild für draculas frisur in „bram stoker’s dracula“. siehe hier für brenda und hier für dracula.

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  2. glamourdick

    REPLY:
    oh ja, die brenda. eine feine böse frau. die verlängerung von mrs. danvers.

    hitch hat tippi schon bei den dreharbeiten zu den „vögeln“ gequält. dirty old man…

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  3. Roulette

    ich hab mir frenzi gestern vormittag noch mal mit hilfe von youtube ins gedächtnis gerufen. wirklich absurd diese mischung von 70er kleidung und alfreds willen, dass setting wie das london seiner kindheit ausschauen zu lassen. altersmilde schien er tatsächlich nicht erreicht zu haben. und wenn man deinen text liest, klingt das alles erschreckend einfach zu analysieren, wenn da nicht seine genialen filme wären … 🙂

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  4. glamourdick

    REPLY:
    das abgründige ist halt auch immer interessanter als das geläufige. und immerhin kann tippi auf zwei filmklassiker zurück blicken, an denen sie ohne hitch keine mitwirkung gehabt hätte.

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  5. bellablog

    ich war mal richtig doll und lange in melanie griffith in „something wild“ verknallt, das war toll. der vater meiner tochter fand kim novak das non plus ultra, was viel über meine damalige scheisswahl aussagt. dies posting regt mich verständlicherweise ambivalent auf.

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