„MENSCHEN TRINKEN, PFERDE SAUFEN – HEUTE SOLL ES ANDERS LAUFEN“

Unter obigem Motto stand die Einladung meines Cousins J. zu seinem 40. Geburtstage. Es wäre das erste Mal seit seinem 7., dass ich mit ihm gemeinsam gefeiert hätte. Neugierig, wie es so gewesen ist, war ich trotzdem.
„Er wollte halt, dass es ist wie damals bei den Familienfeiern. Als wir Kinder uns zusammen gerottet hatten und da so rumgewuselt sind.“
„Bei Tante Lotte aufm Saal?“
„Genau.“
„Wo wir den Erwachsenen immer Schnaps ins Bier geschüttet haben und am Ende haben sich alle gestritten.“
„Und wenn man am Bollerofen saß, dann schwitzte man seinen Popelinjäckchen durch und am anderen Ende des Saals erfror man. Rate was es zu Essen gab.“
„Rinderbraten und Schweinebraten und gemischtes Gemüse – ganz weich.“
„Genau. Aber auch Kroketten.“
„Diese Industriekroketten hab ich geliebt. Tante Lotte stand immer in diesen kurzämeligen weißen Kittelschüren in der schmuddeligen Küche und sah fertig aus.“
„Sieht sie immer noch. Nur jetzt in alt.“
„Und die anderen so?“
„Die L. war nicht da, die hatte was am Fuß.“
„Drama-Queen!
„Aber ihr Sohn ist so unglaublich fett geworden, das kannst Du Dir nicht vorstellen.“
„Na, ist doch logisch. Jetzt hat er ne Alte, da kann er sich gehen lassen. Als nächstes landet er im Kirchenvorstand wie sein Vater, der Heuchler. Gab´s Streit?“
„Ich hab doch gesagt, dass die L. nicht da war.“
„Sind die Klos immer noch so ne Katastrophe?“
„Ich hab´s mir verkniffen. Ich bin bei Tante E. gegangen.“
„Auch mutig.“ (Tante E. ist messy.)
„Sie hatte aufgeräumt, weil sie ja die Düsseldorfer und den J. und seine Familie und die Peiner da hatte.“
„Hör mal – das sind ja dann 20 Leute, die sie untergebracht hat!“
„Und beim Aufräumen hat sie sich die Nähmaschine auf den Fuß geknallt, also ist sie den ganzen Abend gehumpelt und ist dann auch als eine der ersten weg.“
„Und sonst so?“
„Die Frau vom J. hat keinen Finger gerührt. Die hat nicht mal ne Torte mitgebracht. Die E. hat mich angerufen ob ich meim Tischdecken helfe. Der Neue von der S. hat den ganzen Abend keine drei Worte gesagt und die G. wird nächsten Monat 50.“
„50! Die G!“
„Sieht aber sehr gut aus, die hat sich ja aber auch immer gut gepflegt.“
„Und ihr Alter?“
„Ganz nett.“
„Mit 49 noch geheiratet. Das macht sie schon wieder sympathisch.“
„Es ist total viel Torte übrig geblieben. Und ich hab grad so nen Zuckerjieper und wünschte, wir hätten nen Tortenteller mitgenommen.“
„Wie? Ihr habt keinen Tortenteller mitbekommen??“
„Nee. Weil die E. schon weg war. Wenn die E. noch dagewesen wäre, dann hätte sie uns nicht ohne Torte nach Hause gelassen. Ader die Frau vom J. – die hat ja nicht mal beim Tischdecken geholfen.“
„Hätte die man die Nähmaschine weggeräumt, die blöde Ische.“

Und nach diesem Gespräch habe ich einen langen Spaziergang durch Kreuzberg und Neukoelln gemacht und mich an jedem Menschen erfreut, der mir begegnete und mit dem ich nicht verwandt war.

6 Gedanken zu „„MENSCHEN TRINKEN, PFERDE SAUFEN – HEUTE SOLL ES ANDERS LAUFEN“

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