DER CLUB DER VIRTUELLEN DICHTER, REVISITED

Da überlegt man gerade, was man überhaupt noch so schreiben wollte, da lässt einen der Provider nicht in den zu verfassenden Beitrag und bratzt einen an „Weblog nicht bezahlt“. Ja, Ihr Lieben, dann führt doch bitte die Möglichkeit des Abbuchens wieder ein, das Abo war doch praktisch und preiswert. Oder schickt eine Warnmail – Ihre nächste Zahlung ist fällig am —. Wo man also sowieso schon überlegt. Aber wenn man nicht gelassen wird, dann will man grad erst recht. Das interaktive Moment des Bloggens ist ja fast schon ausgestorben. Lieber hauen sie sich bei Twitter und Facebook Einzeiler um die Ohren. Der einzige Grund für Twitter wäre, dass mir Ashton Kutcher seine Liebe gesteht und ich ihn aus dem Kabballah-Center entführen könnte. Wir würden dann in Gretna Green heiraten, wo das selbst minderjährigen Hollywoodstars gestattet ist, hab ich mir sagen lassen. Aber ich schweife ab. Da funktioniert das Payment für den Blog nicht und ich denke – ANGST – und – Hoppla – wann hast Du eigentlich den letzten Blog-Export gemacht (ja, ich schreibe online, also schreibe ich online, es gibt kein Safety Net außer dann und wann exportieren, die Umlaute und ßs konvertieren und dann archivieren. Beim letzten Export hat er irgendwie immer nur einen halben Beitrag gespeichert und so denk ich mir, exportier doch mal das ganze Ding. 1600 Seiten stellt sich heraus. Tausendsechshundert. Ohne Kommentare. Ich wollte die Datei schmal halten.

1600 ist jetzt keine Zahl, die mich fesselt. Sie hat null Symbolcharakter. Deshalb höre ich auch noch nicht auf, auch wenn die Blogszene, wie sie einmal existierte, ausgestorben ist, außer der kleinen edlen Crew, die mir längst privat ans Herz gewachsen ist und die ich gar nicht mehr als „Blogger“ sondern längst als „Freunde“ kategorisiere.

Gestern erhielt ich die Fahnen eines demnächst veröffentlichten Buches eines Lieblingsbloggers. Aber ich les das erst (wieder), wenn ich es in Papier vor mir habe. Von diesem Buch werde ich mir ein ganzes Regal kaufen, denn es wurde auch Zeit, dass man die Literatur dieses Menschen mit an den Strand nehmen kann und jeder, den ich mag, wird von mir ein Exemplar geschenkt bekommen. Besonders gefreut habe ich mich über das Nachwort, schon seinerzeit, als ich es in Blogform las. Dort wird noch einmal die ganze interaktive Bedeutung des Online-Veröffentlichens klar. Dass es ins Leben schwappt, was man da liest, und dass es als solches der gedruckten Literatur in nichts nachsteht, außer dass es kein Geld bringt. Außerdem kommt mein Name drin vor, was mich ehrt, sich aber auch gehört, denn es gab da mal einen Club der virtuellen Dichter, dessen Produktivität und Qualität sich von all dem Katzenblogging und Gemütskryptologisierens abhob. Menschen die aus ihrem Leben berichteten und andere Menschen damit bewegten, erstaunten, überforderten, begeisterten. Ein kleines Movement, fern ab vom Mainstream, nur aber wieder Mainstream vorwegnehmend. Wir haben das Format vielleicht nicht erfunden, aber es vortrefflich bedient. Und endlich hat ein Verlag einen der Besten entdeckt und seine wunderbaren Texte zwischen zwei Buchdeckel gepackt.

Dieses vom Blog zum Buch-Dings gefällt mir sehr, denn es ist in etwa wie wenn man eine Best-of-CD veröffentlicht. Runterkondenisert auf die besten Beiträge. Vielleicht kann man dann das Bloggen sein lassen, und einfach wieder im Privaten Tagebuch führen. Und auch mehr Zeit haben für andere Schreibsachen. Geht es mir so durch den Kopf während das Payment für zwei Monate Verlängerung vor sich hin tickert. Andererseits, da hat Herr Strike recht, ist es ein praktisches angenehmes Ding, dass man sich jeden Morgen online informieren kann, was man vor genau einem Jahr, oder zweien oder dreien loswerden wollte. Das ist psychotherapeutisch sehr reinigend. Ich bin immer noch hin und her. Aber zwei weitere Monate sind bezahlt und ich lass nichts umkommen. That wouldn´t be Glam.

2 Gedanken zu „DER CLUB DER VIRTUELLEN DICHTER, REVISITED

  1. luckystrike

    Ich mach auch erstmal weiter, mittlerweile mehr für mich und die paar treuen Leser, und freu mich, wenn es mal unbekannte Leser aus den Hecken spült. Schön ist, daß man sich nicht mehr so überlegt, was man schreibt, liest ja eh fast keiner mehr, außer er darf und/oder soll.

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  2. kittykoma

    das dialogische des bloggens hat tatsächlich abgenommen. ich werde trotzdem nicht twittern. denn ich bin keine virtuelle schwätzerin sondern eine schreiberin.
    dann ist raum für die gerade stattfindenen tagebücher oder die keimzellen von literatur.
    und ihren 1.-mai-text habe ich per mail und link in halb deutschland rumgeschickt, für die, die gerade mal gelernt haben, wie das internetz so geht.

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