FETCH ME THAT FLOWER!

Dann gestern Abend „Were the World Mine“ noch einmal angeschaut und noch einmal komplett in den Film verknallt. Überlegt, dass man für ein gutes Stück Kulturgut eben dahin muss, wo´s weh tut – die Kindheit und Pubertät. Fast jeder kann nachvollziehen, welche Mäche da toben und welche Weichen durch welche Ängste, Vermeidungen, Konfrontationen gestellt werden. Sinniere so und stelle fest, dass ich das diesbezügliche Werk schon geschrieben habe, vor ein paar Jahren, in Romanform, aber es war den Verlagen zu schwul. Ich hatte aber keine Lust, eine Heterofassung zu schreiben, weil ich es für eine Unverschämtheit halte, das so ein Vorschlag überhaupt unterbreitet wird. Wieder wurde nur markt-technisch gedacht – schwules Buch findet nur schwule Leser, das ist ein eingeschränkter Markt, und der wird von Kleinstverlagen bedient, die hauptächlich peinliche Wichsvorlagen aus dem Amerikanischen übersetzen lassen.

Das frustriert mich nach wie vor sehr – vor allem die Tatsache und Wahrheit, die dahinter steht. Dass nämlich ein heterosexuelles Publikum wirklich einen leichteren Bezug zu heterosexuellen Geschichten herstellen kann (oder dies annimmt), wobei ein Schwuler keinerlei Problem hat, Literatur von und über Heterosexuelle zu lesen. Denn für ein gutes Buch, einen berürenden Stoff ist es doch scheißegal, wer sein Ding in welche Körperöffnung steckt. Und jetzt kommt mir nicht mit „Ich habe aber „Brokeback Mountain“ gesehen! Im Kino!“

Auch wenn es für Schwule mittlerweile möglich ist, in der Großstadt ein angenehmes Leben inmitten der Peergroup und weitestgehend toleriert von der Masse zu führen: ich nehm Euch Eure „Akzeptanz“ nicht ab.

Und darum geht es im „Were the World Mine“ ja auch – try walking in my shoes. I´d love to Puck you, too.

23 Gedanken zu „FETCH ME THAT FLOWER!

  1. frankburkhard

    Ja das ist eine sehr dünne kleine Eisscholle, auf der wir uns da so in Sicherheit wiegen…
    Alleine diese groteske Geschichte von dem Eisverkäufer am NOLLENDORFPLATZ of all places, der regelmäßig Kunden schreiend des Ladens verweist, wenn sie sich durch public displays of affection als homosexuell erkennbar machen.
    Natürlich um die Kinder zu beschützen, die auch bei ihm Eis kaufen. Nee, iss klar…

    Mein letzter Liebhaber wollte auf der Strasse nicht so gern geküsst werden – ein erwachsener, 30jähriger Mann, der sich Sorgen machte, daß sein Bild in der Öffentlichkeit dadurch angreifbar wird. Zu Recht eigentlich. In der Tat mache ich mich angreifbar, erkennbar schwul zu sein.

    Bis heute hör ich ständig Vorträge von schwulen Männern, was falsch ist am CSD und dem ganzen tuckigen Gekreisch in geschmacklosen Kostümen – man wolle doch ganz einfach nur in Ruhe sein kleines Leben leben und seinen Job im Büro machen und dann zu seinem Mann nach Hause gehen und was da passiert, geht sowieso niemanden was an.
    Und ignorieren mal einfach die Tatsache, das die aber- und abertausenden von kreischenden, kostümierten, arschwackelnden, verprügelten und totgetretenen, lauten und geschmacklosen Tunten es ihnen in Vergangenheit und Gegenwart erst ermöglicht haben, daß man ihnen im Büro nicht mehr den dreckigen schwulen Schwanz auf die Schreibtischplatte tackert.

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  2. BelleNoir

    wenn man versucht sich das umgekehrt vorzustellen – ha!

    Dürfte ich an dieser Stelle einen Wunsch äußern? Nachdem ich durch den Hausherren schon auf so viele tolle Filme und Musik aufmerksam wurde (ich hatte keine Ahnung was Grey Gardens ist!), gibt es denn Bücher mit guten homosexuellen Liebesgeschichten? Neuer Lesestoff muss ja eh oft her und ich hab schon zuviel über Frauen gelesen, die Entscheidungsschwierigkeiten haben.

    PRO mehr verliebte Kerle in Büchern!

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  3. walküre

    Für mich kommt es bei einem Text, bei einem Film und bei Musik darauf an, ob er/sie Stimmungen zu transportieren in der Lage ist, ob er/sie mir ermöglicht, mich in die Menschen und Situationen hineinzuversetzen. Und Erotik ist für mich in keiner Weise an sexuelle Präferenzen gebunden (Beispiel: S/M zieht mich nicht an, dennoch finde ich die „Venus im Pelz“ von den meisten geschilderten Stimmungen her sehr erotisch). Bin ich eine Ausnahme ?

    PS: Weshalb veröffentlichen Sie Ihr Buch nicht hier ?

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  4. glamourdick

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    kenne ich. aber da ich den luxus kenne, in einem etablierten verlag zu veröffentlichen, möchte ich diesen schritt zurück nicht unternehmen. ich muss mir vermutlich einfach mal die mühe machen, eine vernünftige lit-agentur aufzuspüren.

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  5. kaltmamsell

    REPLY:
    Ich habe ihn zwar ganz gelesen, fand ihn aber so lala (wobei englischsprachiges zeitgenössisches Mittelmaß immer noch um Längen besser ist als was die deutschen Feuilletons an Deutschsprachigem bejubeln). Für mich als Hete war er vielleicht einfach durch das schwule 80er-Setting exotisch und dadurch interessanter.

    Doch mir ging es weniger um Qualität als um Marktpotenzial: In the Line of Beauty hat sich sehr gut verkauft.

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  6. glamourdick

    REPLY:
    ich erinnere mich an ein gespräch mit meinem lektor, in dem ich anregte, dass auch der buchrücken einer veröffentlichung liebevoll gestaltet sein sollte – wie in england oder den staaten, wo ich durchaus ein buch aus dem regal nehme, weil es mich gestalterisch anspringt, jenseits von titel und namen des autoren. prägedruck, lack – alles was irgendwie anders war als das 0815-knaur-cover war ihm nicht zu vermitteln. dass man ein cover so gestalten kann, dass es auf einem büchertisch liegend ins gesicht springt – nein. man hat halt die eine agentur, mit der man 80.000 jahre lang arbeitet und die werden das schon machen. das endete dann darin, dass der cover-fotograf einen entwurf einreichte, für den der 80.000 jahre beschäftigte grafikdesigner den credit einheimste. minus lack-druck, versteht sich.
    soviel zum thema deutsche verlage. and i´m not talking bastei lübbe here.

    ohne booker price wäre „in the line“ vermutlich bei bruno gmünder erschienen.

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  7. glamourdick

    REPLY:
    natürlich ist mir pippins erfolg nicht entgangen. aber ich bin altmodisch und bin daran gewohnt, für ein manuskript einen verrechenbaren vorschuss zu bekommen. wenn man die dauer einer schwangerschaft oder mehr mit der arbeit an einem buch verbracht hat, ist das einfach adäquat.

    ich weiß, ich erscheine jetzt gerade sehr schwierig und verbockt. maybe because i am.

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  8. kittykoma

    REPLY:
    ach so. aber in den city tales funktioniert es doch auch. vielleicht sollte man normalität einfach voraussetzen? ich würde das dann nicht als explizit schwule geschichte „handeln“. die sexuelle orientierung der protagonisten sind doch bei einem dominanten anderen thema nebensächlich. ob frau maigret nun eine ältere dame oder en hund ist, ist bei simenon im grunde egal. oder haben die verlage damit auch ein problem?

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  9. kittykoma

    REPLY:
    ich hake noch mal anders und konkret nach: wenn inspektor maigret herrn maigret zu hause am herd stehen hätte und er bei einem jungen verdächtigen immer mal ins träumen geriete, würde das doch niemanden auf die idee bringen, das als schwule literatur einzuordnen.
    was aber hieße, raus aus dem ghetto mit schwuler literatur, schluß mit exotik, ab in den mainstream.

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  10. kittykoma

    REPLY:
    sorry, dafür bin ich zu deutsch. als ich zum ersten mal in amerika auffällige (taschen)buchcover mit goldprägung oder lackdruck sah, dachte ich: oh mann, was muß das für ein schrott für analphabeten sein, daß sie es so einpacken müssen!

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  11. kittykoma

    ich habe wirklich zwei nächte darüber nachgedacht, was an dieser sache dran ist.
    ich glaube, daß unsere heutige gesellschaft ein vernünftiges maß an toleranz gefunden hat oder zumindest auf dem weg dorthin ist.
    die mehrheit bemerkt die minderheit immer als anders. – taube in der krähenschar (positiv konotiert), schwarzes schaf (negativ). das wird sich nicht ändern, instinktives bemerken von unterschieden ist reflex. daß danach nicht die keule ausgepackt und das andere kurz und klein gehauen wird, ist zivilisation. erkämpfte zivilisation (deren lack ist bekanntlich dünn).
    findet ein heterosexuelles publikum homosexuelle liebengeschichten tatsächlich nicht annehmbar? (wobei ich vorausschicken muß, daß ich jegliche art liebesgeschichte öde finde, weil das leben viel spannender ist oder weil ich in dieser hinsicht vielleicht nicht empathisch bin.)
    ich habe bis auf baldwins „eine andere welt“ noch keine gute homosexuelle liebesgeschichte gefunden. (aber auch keine schlechte, es gibt sie nicht, scheint mir.) und dieser roman, der nach wie vor mein wichtigstes lebensbegleitendes buch ist, setzt sich nicht nur mit homosexualität auseinander sondern global mit dem anderen und der annäherung daran. interrassistisch, homosexuell, hetrosexuell.
    beim heranwachsen zu erkennen, daß man anders ist als eine große menge anderer leute, sich auf die suche nach gleichgesinnten zu machen, dort plötzlich eine emotionale heimat und emotionale entgrenzung zu erleben, das ist nicht spezifisch homosexuell. ich glaube nur, daß die heterosexuellen liebesgeschichten darüber hinaus noch eine andere funktion haben. (und unterstelle gleichzeitig, daß sich männer ohnehin nicht dafür interessieren. klassische zielgruppe von love stories sind frauen auf der suche nach projektionsfläche für ihr bindungsbestreben.) heterosexulle liebesgeschichte enden mitunter mit dem brachialen liebestod oder münden in das kinder-reihenhaus-hund-happy-end. also heterosexueller way of life, den ich bei homosexuellen liebesgeschichten nicht ohne weiteres vermuten würde.
    wilde singlemädchen und schwule jungs können große mentale nähe zueinander finden. die einen besitzen des begehrenswerten objektstatus, die anderen die freiheit sexueller schamlosigkeit, das neidet und gönnt man sich, beider ziele sind männer, das ist dieselbe wellenlänge. sobald die frauen sich aber, zu glucken gerundet, fest binden und mit dem nestbau beginnen, kann die distanz größer nicht sein.
    kurz und flapsig gesagt: heterosexuelle liebesgeschichten sind wichsvorlagen für frauen. und frauen, die diese geschichten goutieren, kommen auf versorgung und bindung, alles andere ist beiwerk.

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