BADESCHIFF

Die Gastgeberin hat es mit der Spezifierung in der Einladung (Badeschiff 14.00 bis 20.00 Uhr) ziemlich genau genommen. Kurz nach 20.00 Uhr gelingt es mir gerade noch, sie zu begrüßen, dann hat sie die Party auch schon verlassen. Der zweite Gastgeber bemüht sich, in der halböffentlichen Anlage von versprengter Partygruppe zu versprengter Partygruppe zu fliegen wie eine Biene von Blüte zu Blüte, dabei ist er selbst die schönste Blume in gelb, orange und lila. Ein paar bekannte Gesichter, die man aus dem Umfeld des Gastgebers kennt, Menschen, mit denen man schon in vergangenen Jahren nie ins Gespräch gekommen ist – warum nach all den Jahren mit Moderationsversuchen beginnen? – und warum also heute, und außerdem der Chill-Vorsprung: die hängen schon seit Nachmittag ab, ich komme gerade aus dem Büro. Gott sei Dank ein paar Felsen in der Brandung, Herr Strike, der es vernünftig mit Hochprozentigem angehen lässt, Frau Koma, die an keinem Gewässer vorbei gehen kann, ohne ein paar Runden darin zu ziehen. Und Herr Schmidt, der Wiedergefundene, mit dem ich mich nach einer mehrjährigen Pause nahtlos gut verstehe. Zu Bier gehören Kohlehydrate und unter neidischen Blicken ergattere ich die letzte Portion Potatoe-Slices. Ein zweifelhafter Sieg, sie liegen schon etwas länger herum, sind kalt und flatschig.

Es wird dunkel über der Spree, auch nach dem zweiten Bier stellt sich kein Wohlgefüh ein, die Künstlichkeit des Badeschiffs ist nichts für mich, ich mag meine Gewässer ohne Chlor und auch nicht von unten beleuchtet. Was sich an und auf dem See weit verteilt, kauert sich hier in Grüppchen zusammen, belagert die Bar, so dass man selbst zur Rückgabe der Pfandflaschen eine viertel Stunde ansteht. Dunkelbraune Szenetypen, Hautkrebskandidaten, Mädchen, deren Vorbilder Gaga und Miley heißen, mit zu dünnen Augenbrauen und herabgesackten Mundwinkeln, weil Jonas oder Leon sie wieder keines Blickes gewürdigt haben. Knabenhafte Knaben und hühnenhafte Hühnen sowie hühnenhafte Knaben aber keine knabenhafte Hühnen sonnen sich im Blick der Umherstehenden, während sie sich unter der Dusche abspritzen lassen, um dann wahrscheinlich rebellisch ins Chlorwasser zu pinkeln. Alle sind zusammengehalten in kleinen Grüppchen und blitzen nur manchmal nach rechts und links, wenn wieder eine feuchte Schönheit durch den Sand tappt, mit einem Trendfläschchen in der Hand oder ohne, viele durchaus ohne, denn bei den Getränkepreisen und wenn man ständig die Pfandgläser verliert, wird so ein Tag am Badeschiff teuer, selbst für eine Abiturientin aus Dahlem, die es nach Mitte zöge, hätte sie nicht die smarte Einliegerwohnung bei Ma und Dad.

Das Badeschiff ist wie ein Ballermann für Besserverdienende nur ohne die Stimmung. Der urbane Charme erschließt sich mir nur ästhetisch, nicht aber emotional. Und, so denke ich, nach zwei Corona kannst Du noch fahren und musst morgen nicht durch ganz Kreuzberg spazieren, um Dein Auto abzuholen, also stell ich mich eine viertel Stunde an, um meine Pfandflasche abzugeben und mach mich auf dem Heimweg.
Der Ipod wählt sich „Schwarz zu blau“ und Herr Fox singt von Szeneschnöseln auf verzweifelter Suche nach der Szene. Ich denk, ich hab sie gefunden. Und ich brauch sie nicht.

9 Gedanken zu „BADESCHIFF

  1. glamourdick

    REPLY:
    … dann würde ich die welt nur in trügerischen teilaspekten betrachten und es gebe hier nur jubel-content – ist ja auf dauer auch langweilig.

    did i say somewhere that i don´t like beaches? me??

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  2. kittykoma

    das war wirklich sonderbar gestern abend. wie intensiv mich der gedanke befiel, daß dieses ganze areal vergehen wird.
    (das lag auch daran, daß sie scheinbar neuerdings flatrate-trinker dort zulassen oder was waren das für herden von jugendlichen, die von erwachsenen personen eingewiesen wurden?)

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  3. blogger.de:gedankengebaeude

    Ging mir immer genauso. Der nächtliche Blick zur Oberbaumbrücke und den gegenüberliegenden Speichern ist zwar manchen Abend atemberaubend, aber eigentlich kann man diesen Ort nur ohne das Publikum genießen. Es geht ganz offensichtlich nur ums Sehen und Gesehenwerden, oder auf Gutdeutsch um Fleischbeschau. Denn schwimmen kann man in der überdimensionierten Badewanne ja auch nicht ernsthaft!

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  4. Adrenaline Junkie

    I was so glad you could make it yesterday. I left the Badeschiff only for 10 minutes, to deposit some things in the car, then returned and stayed till midnight. I went swimming for the third time, drank cocktails and chatted with friends but could not find you. You must have left very quickly. I loved the beach atmosphere there, but maybe it is because I grew up on a beach. Sorry that you didn’t have a good time. Happy that you tried.

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  5. walküre

    Ich schätze Ihre Texte überaus, hatte diesmal aber ein Problem mit der Schilderung des atmosphärischen Eindruckes, besser gesagt mit einem bestimmten Wort. „Hüne“ schreibt sich nämlich ohne zweites „h“, und bei der Lektüre wars für mich mit der Ernsthaftigkeit meinerseits vorbei, als mir mein Gehirn vorgaukelte, es stünde da: „Knabenhafte Knaben und hühnerhafte Hühnen sowie hühnenhafte Knaben aber keine knabenhaften Hühner sonnen sich im Blick der Umherstehenden …“

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  6. Adrenaline Junkie

    Dont tell me not to live,
    Just sit and putter,
    Lifes candy and the suns
    A ball of butter.
    Dont bring around a cloud
    To rain on my parade.
    Dont tell me not to fly–
    Ive simply got to.
    If someone takes a spill,
    Its me and not you.
    Who told you youre allowed
    To rain on my parade!
    Ill march my band out,
    Ill beat my drum,
    And if Im fanned out,
    Your turn at bat, sir.
    At least I didnt fake it.
    Hat, sir, I guess I didnt make it!
    But whether Im the rose
    Of sheer perfection,
    Or freckle on the nose
    Of lifes complexion,
    The cinder or the shiny apple of its eye,
    I gotta fly once,
    I gotta try once,
    Only can die once, right, sir?
    Ooh, love is juicy,
    Juicy, and you see
    I gotta have my bite, sir!
    Get ready for me, love,
    cause Im a comer,
    I simply gotta march,
    My hearts a drummer.
    Dont bring around a cloud
    To rain on my parade!

    Im gonna live and live now,
    Get what I want–i know how,
    One roll for the whole shebang,
    One throw, that bell will go clang,
    Eye on the target–and wham–
    One shot, one gun shot, and bam–
    Hey, mister arnstein, here I am!
    Ill march my band out,
    I will beat my drum,
    And if Im fanned out,
    Your turn at bat, sir,
    At least I didnt fake it.
    Hat, sir, I guess I didnt make it.
    Get ready for me, love,
    cause Im a comer,
    I simply gotta march,
    My hearts a drummer.
    Nobody, no, nobody
    Is gonna rain on my parade!

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