VERLEGEN oder DER TON MACHT DIE MUSIK

Meine Schreibaktivitäten der vergangenen Tage waren hauptsächlich darauf beschränkt, die letzten Verträge für Musiklizenzen für eine Filmproduktion einzuholen. Dieser Job, der sich tatsächlich als Arbeit erwies, brachte allerdings nicht nur einige Erkenntnisse über die aktuelle Situation der Musikverleger in Deutschland (auch die Preise für Musikverwertung im Rahmen einer Filmproduktion sind tief gefallen), sondern auch die eine oder andere bloggenswerte Korrespondenz.

Von allen angeschriebenen Verlagen hielt ein einziger an Konditionen fest, wie sie Mitte der 90er noch üblich waren. Dieser Verlag forderte das fünffache dessen, was momentan marktüblich ist. Zähneknirschend willigte die Produktionsfirma, die ich vertrete, ein. Um den Breakeven der Produktion in der Erstauflage zu gewährleisten, beschlossen wir, die Auflage zu erhöhen.
Keiner der anderen Verträge für die Produktion ist auflagegebunden – die Verträge räumen dem Filmproduzenten das Nutzungsrecht für eine gewisse Auswertungsdauer ein. Die Beteiligung des Textdichters und Komponisten an der Anzahl der verkauften DVDs wird über die GEMA geregelt. Der Verleger kassiert in der Regel 60% für seine Tätigkeit – sowohl bei der Lizenzzahlung durch die Produktion als auch an der GEMA. Das belässt 40% der Royalties beim Urheber oder dessen Erben.

Auf meine Mail, in der ich den Verlag über die Erhöhung der Auflage informierte, da er als einziger vertraglich die Lizenz an die Auflagenhöhe koppelte, erhielt ich die folgende Antwort.

„Sehr geehrter Herr Dick,

wir alle beherrschen den Dreisatz, so dass sich bei einer Auflage von XX.000 Exemplaren auch einen Lizenzgebühr in Höhe von XX.000,– € zzgl. MwSt. ergibt.“

Hallo? Contenance?? Der Markt ist nicht Dreisatz. Wenn ein Kilo Äpfel 2 Euro kostet, dann heißt das nicht, dass man nicht zwei Kilo für eins fuffzich kriegen kann.
5 Jahre Melrose Place hinterlassen Spuren. Erst überlegte ich, was Sydney tun würde. Zu krass und zu aufwändig in so kurzer Zeit. Amanda Woodward an einem schlechten Tag. Dito. Amanda Woodward an einem guten Tag? Passt. Und so recherchierte ich den Dinosaurier, der mir diese Zeilen schickte. Ein Anwalt, der auf Kongressen die Ansicht vertritt, dass Royalties oft nicht gezahlt werden, weshalb man sie von vorn herein großzügig ansetzen müsse. Bei kleinen Produktionsfirmen könne man sich allerdings flexibler geben. Was mir auffiel, war die Tatsache, dass ständig von Geld und nie von Kunst und Künstler die Rede war. Lizenz Lizenz Lizenz – aber nie „Werk“.

Vielleicht muss man bei der „Auswertung“ von Kunst tatsächlich mathematisch und nicht idealistsch denken. Meine Auftraggeberin bat mich, die drei Tage, die noch bis zum Endschnitt verbleiben, ein wenig zu streiten. Und so komponierte ich die folgende Note, die voraussichtlich den Film um zweieinhalb Minuten verkürzen wird.

„Sehr geehrter Herr XXX,

vielen Dank für die kleine Nachhilfe in Mathematik. Als Gegenangebot könnte ich nun mit einer Lizenz in Höhe von 157 Euro kommen, 100 Euro pro Sekunde – so wie manch andererer Verlag die Lizenz berechnet, aber ich bin kein Zyniker, sondern vertrete ein kleines Label mit hohem künstlerischem Anspruch und wenig Kapital und bin, wie Sie, der Überzeugung, dass für ein hochwertiges Produkt auch ein entsprechender Preis gezahlt werden sollte.
Kein anderer Verlagsvertrag für diese Poduktion ist auflagengebunden – alle anderen sind fristgebunden, weshalb ich Sie bitten möchte, noch einmal zu erwägen, die Lizenz bei XX.000 Euro in einem Verwertungszeitraum von 5 Jahren (anstatt 10) anzusetzen. Wie Sie wissen, sind schon XX.000 Euro weitaus mehr, als der Markt momentan diktiert.

Die Funktion eines Verlages ist meiner Auffassung nach, ein Werk zu verlegen, im Sinne von „ zu marktüblichen Konditionen verfügbar machen“. Im Interesse des Urehbers und seiner Erben. Und nicht im Sinne von „es irgendwo liegenlassen und dort zu vergessen.“ Eine Verhandlung über die Verwertung eines Kunstwerks sollte nicht in eine Zockerei ausarten. Man sollte den künstlerischen Aspekt, die adäquate Umsetzung des Werks, dessen Darbietung und Veröffentlichung nicht aus den Augen verlieren.

Ich würde mich freuen, wenn Sie diese Ansicht teilten, und es uns ermöglichten, „XXXX“ von XX/XX in unserer DVD-Produktion zu verwenden.

Mit freundlichen Grüßen,

Dick“

Ich freu mich schon auf die Anwort.

3 Gedanken zu „VERLEGEN oder DER TON MACHT DIE MUSIK

  1. luckystrike

    Hrhr, ob es da eine Antwort gibt? Aber gut gebrüllt, schließlich habe die sogenannten Verleger auch eine Verantwortung, daß die Werke ihrer Mandanten auch unters Volk kommen.
    Oder es ist wirklich so, daß sie schnell noch alles rauspressen wollen, bevor die Rechte frei werden (in 11 Jahren).

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  2. glamourdick

    REPLY:
    eben. ich hatte überlegt, dem geschäftsführer des verlages eine kopie der mail zu schicken, damit er sieht, wie gerade xx.000,- euro von seinem lizenz-anwalt an die wand gefahren werden.

    afterthought: warum auch nicht gleich an die xxxx-foundation?

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