IN TOO DEEP oder SOMEWHERE OVER THE EDGE

Und wieder war ich irrtümlich davon ausgegangen, so eine Art Neely O´Hara-treatment zu bekommen. Eine Spritze zum Nerven beruhigen und ein Einzelzimmer. Stattdessen wird mir erst mal Blut abgenommen, mein Alkoholpegel gecheckt, Blutdruck gemessen. Dann weist man mir einen Schlafplatz zu. In einem Doppelzimmer.
„Ähm, Entschuldigung, aber – das kann ich nicht, ich hab da diese Problem, die Phobie.“
„Wir können Ihr Bett auch gern da hinten auf den Gang stellen. Da ist es ruhig, nachts.“
„Vielleicht war es doch keine gute Idee -„
„Versuchen Sie erst mal zu schlafen.“
Ich versuche, aber es will mir nicht gelingen. Ich gehe eine rauchen. Die Abteilung ist die einzige, die noch ein Raucherzimmer hat. Jetzt wissen Sie, wo ich mich befinde.
„Herzlichen Glückwunsch, dass Du gekommen bist. Oh – Du rauchst Luckies, darf ich eine haben?“
Dann reden wir ein bisschen, so gut das geht. Dann ein weiterer Versuch, zur Ruhe zu kommen. Weiteres Scheitern.
„Wäre es möglich, noch einmal mit dem Arzt zu sprechen?“

„Wir können Sie nicht herauslassen heute nacht. Sie haben über zwei Promille.“
„Aber es wird alles noch viel schlimmer, wenn ich von so vielen Menschen umgeben bin.“
„Wie haben Sie sich das vorgestellt?“
„Gar nicht. Ich wusste nur nicht mehr wohin.“

Immer, wenn ich aufwache, ist es draußen noch dunkel. Es wird die längste Nacht meines Lebens. Und der längste Morgen. Der Zigarettenvorrat tendiert gen Ende. Ich kenne bereits vier Patienten namentlich, die, die Luckies rauchen, und habe das Gefühl, hier nicht hinzugehören. Aber vielleicht trennt mich und sie auch nur die Medikation.

Arztgespräch. Ich darf gehen. Herr Strike holt mich ab. Vorher, ich steh an einer Kreuzung, alles ist weiß und morgendlich, kommt eine Frau auf mich zu und fragt nach der Blücherstraße.
„Danke junger Mann. Und guten Rutsch!“ Den hatte ich. Gestern. Einmal über den Rand.

Und zurück.

„Das war jetzt der lowest point. Jetzt noch die Reue. Dann muss es besser werden. Ich weiß nur noch nicht wie.“

8 Gedanken zu „IN TOO DEEP oder SOMEWHERE OVER THE EDGE

  1. raketenprinz

    letztes jahr bin ich am rand entlanggegangen – mal fast einen meter daneben, dann auch hart an der graskante, auch mal mit einem fuß ein fehltritt, strauchelnd, abrutschend, gottseidank nie ganz über die klippe abgestürzt. was mir dabei half? therapie. und mirtazapin. meds helfen, den weg zu gehen. sie unterdrücken nicht, sie machen aber handlebar (gibt’s dafür nicht auch ein schönes deutsches wort? machen es handhabbar?) ich denke, der weg zur stabilität wäre ohne meds noch rockier und länger gewesen.
    es freut mich, dass du wieder zurück auf dieser seite des randes bist.

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