ASK BOBBY KENNEDY

David Marshall: „The DD Group: An Online Investigation Into the Death of Marilyn Monroe“

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(Pic: G. Barris, Sommer 1962, ca 5 Wochen vor ihrem Tod.)

Es hat sich tatsächlich jemand die Mühe gemacht, die sich eigentlich jeder Biograf machen sollte. Nämlich: die Fakten sammeln, bzw. die Darstellung der Fakten, da Zeitzeugen kaum noch vorhanden sind. Diese Fakten akribisch gegenüber zu stellen. Abzugleichen. Die Urteile von Zeitzeugen heraus zu streichen, bei denen man nicht sicher sein kann, ob sie tatsächlich etwas bezeugten oder sich nur im Glanz eines schrecklichen Dramas sonnen wollten, damit etwas düsterer Glitzer auf sie abriebe – Jeanne Carmen, Ted Jordan usw. Herausgekommen ist eine 500seitige Abhandlung über die letzten Tage von Marilyn Monroe, und auch wenn nicht wirklich lückenlos geklärt werden kann, was in der Nacht vom 4. auf den 5. August 1962 geschah, die sorgsame Annäherung an den letzten Tagesablauf lässt viel weniger Interpretationsmöglichkeit als jede bisher veröffentlichte Biografie. Wie kann das sein?

Eine Gruppe von Fans (also Leute, noch versessener als ich – Menschen, die wirklich ALLES über sie gelesen haben), die sich in einer Online-Community mit Marilyn befasst hat, beschloss, alle Fakten zusammen zu tragen. Den Tagesablauf, in Zeitfenster sortiert, zu rekonstruieren. Die Quellen der Biografen auf Verlässlichkeit zu hinterfragen, was eigentlich die Aufgabe eines jeden Biografen und Folge-Biografen sein sollte – allen voran Biografen, die nichts anderes tun, als Celebrity-Biografien zu verfassen und Rechercheure für sich in´s Feld schicken, oder sich nicht einmal die Mühe machen. (Spoto. Leaming.) Die „Ich war der letzte, der mit Marilyn telefonierte“-Behaupter zu eliminieren. Und so entsteht ein ziemlich verlässliches Bild der letzten Stunden.

Waren es die Kennedys? Zumindest war Robert Kennedy am Nachmittag bei ihr, auch wenn dessen Biografen dem widersprechen. Der Autopsiebericht, der so viele Fragen aufwirft, ist in der Tat fragwürdig, wenn man bedenkt, dass eine weltberühmte Schauspielerin viel zu früh verstarb, die mit dem bedeutsamsten Politiker ihrer Zeit zu tun hatte und noch dazu in einer korrupten Stadt wie Los Angeles lebte. So wundert es mich vielleicht nicht, dass Marilyn an ihrem letzten Lebenstag nichts gegessen haben soll, aber die Abwesenheit von Blutalkohol bei einer vermeintlich medikamentenabhängigen Alkoholikerin macht mich stutzig.

Ihr vorletztes Telefonat führte sie übrigens mit Joe Jr., ihrem Stiefsohn aus der Ehe mit Joe DiMaggio. Eine knappe Stunde später versuchte sie, ihren besten Freund, „ihre Schwester“, den Masseur Ralph Roberts zu erreichen, bekam aber nur seinen Telefondienst. Aber selbst dies ist nur Spekulation, denn die Anruferin mit der „slurry“ oder „fuzzy“ voice, hatte ihren Namen nicht genannt.

Wenige Stunden später fand in Marilyns Bekanntenkreis ein Telefon-Ping-Pong statt, in dem das Gerücht laut wurde, sie habe überdosiert. Veranlasst durch ein Telefonat, das sie mit dem Schwager des Präsidenten, dem Schauspieler Peter Lawford gegen acht Uhr abends geführt hatte.

Die Tatsache, dass in ihrem Mageninhalt keine Medikamentenreste gefunden wurden, die die hohe Chloralhydratkonzentration im Blut (8mg% entspricht 40-50 Tabletten) erklärt, legt die Vermutung nahe, dass ihr der Magen ausgepumpt wurde. Der Gerichtsmediziner widerspricht. Er habe keine Spuren für den Einsatz einer Magenpumpe gefunden. Bliebe die Möglichkeit einer Spritze. Marilyn war kein Junkie. Sie selbst hätte sich keine Spritze verabreicht. Und auch, was Einstichwunden angeht, versichert der Gerichtsmediziner, sei er nicht fündig geworden. Am Wahrscheinlichsten ist, dass man sie gegen 22 Uhr leblos auffand, Versuche unternahm, sie zu reanimieren, scheiterte. Daraufhin überlegte, welche Auswirkungen ihr Tod haben würde, insbesondere angesichts des Besuches von Robert Kennedy am Tag ihres Todes. Sich die Zeit nahm, Kennedy aus Los Angeles auszufliegen, und so erst viele Stunden nach ihrem Tod, am Morgen des 5. Augusts um 4.25 Uhr, nachdem Rück- und Absprachen zumindest unter Anwälten, Angestellten, Agenten, Pressesprechern, Freunden und Bekannten getroffen wurden, die Polizei alarmierte.

Was allerdings immer noch nicht beantwortet, weshalb und wie Marilyn sich vergiftete oder vergiftet wurde. Ich möchte, dass es ein Unfall war. Ich will mir nicht vorstellen, dass sie perspektivelos in ihren frisch bezogenen Haus saß, das Schlafzimmer noch eine Baustelle, und befand, es sei nun alles vorbei, weil die Kennedys sich von ihr distanzierten. Vielleicht hatte sie die Spritze vergessen, die ihr ihr sorgsamer Psychiater am Nachmittag, nach Kennedys Besuch, gegeben hatte (die seltsamerweise kein Einstichwunde zur Folge gehabt haben soll?) und darauf ein paar Pillen zuviel eingeworfen. „Ask Bobbie Kennedy“ hat der Psychiater geantwortet, wenn jemand von ihm wissen wollte, was da in der Nacht vom 4. auf den 5. August wirklich geschehen ist. Das geht nun nicht mehr. David Marshall und sein Team haben das wirklich Beste getan, was 40 Jahre später noch möglich ist, die Geschehnisse zu rekonstruieren. Dass man davor den Hut ziehen muss ist eigentlich tragisch, denn solche Sorgfalt hat Marilyn verdient. So müssen Biografen arbeiten. Alles andere ist Pfusch.

Oh, Pat Newcomb, wie gerne hätte ich ein Gespräch mit Ihnen.

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