Die Sonne aufm Koppe über den Kreuzkoellner Flowmarkt, wo interessant aussehende Menschen uninteressanten Schrott an den Hipster oder die Hipsterette zu bringen versuchen. Blasse Studentinnen halten sich verschwitzt aussehende Mischwollpullover in 70er Optik ans Kinn und holen sich von der besten Freundin Einkaufsermunterung. So finden sich für Kleidungsstücke, die es nicht in den Container geschafft haben noch ein paar Euro und man hat auch noch den Effekt des refurbishings, das ja auch irgendwie was mit sustainability zu tun hat. Wer sein Kind oder seinen Hund liebt, trägt es/ ihn auf dem Arm, denn eng schmiegt sich die flanierende Masse aneinander, um spontan mal anzuhalten und, beim Abwischen des Kinderrotzes, eine kleine Massenpanik auszulösen, wo Blassfleisch auf Blassfleisch trifft, getrennt nur von schwarzen Jeans und muffig sustainten Mischwolljacken. Mittzwanziger, eine Völkergruppe, die ich sonst selten zu sehen bekomme.
Zurück im Hof tauschen meine Nachbarin und ich uns über den Ursprung des im Winter ausgesetzten Oleanders aus. Wer macht denn sowas? Da es nur drei Dachterrassen im Haus gibt und ich es nicht war, bleiben nur noch zwei Verdächtige, von denen einer ausscheidet, weil es für den Transport eine solchen Strauches mindestens 2 braucht. Höfe sind die neuen Autobahnraststätten.
Das Telefon klingelt und zwei meiner Mittzwanziger-Freunde sind gerade in der Nähe, Sie erraten: Flowmarkt, und wir treffen uns beim Bravko zum in-der-Sonne-sitzen. Wir stellen fest, dass wir eine Gemeinsamkeit in der Begeisterung für effektive und anschauliche Haushaltswaren und Geräte haben und die Vorstellung eines gelungenen Wochenendes einen schönen Abend mit Wein vorm TV beinhaltet. Rebel Hearts, wir…
Im Solomon lese ich später über die Funktionalität der Vergewaltigung als Genozid-Modell und wieder beeindruckt mich der Mann mit Fakten und Klarheit. Sich bekriegende Volksstämme in Ruanda sind nur ein Beispiel dafür, wie der Sieger seine Gene im Verlierer pflanzt, um den Erhalt des eigenen Stammes zu gewährleisten, bzw den Pool des Opfers zu verderben. Die so gezeugten Kinder bezeichnet man als enfants de mauvais souvenire. Sie werden von beiden Stämmen verachtet. Die Mütter so gezeugter Kinder finden es oft schwierig, ihr Kind zu lieben, weil es sie jeden Tag auf´s Neue an den Schmerz der Zeugung erinnert. Zu Solomons-Interview-Praktiken gehört es, den Befragten abschließend selbst Fragen an ihn zu erlauben. „Wann wird Ihr Buch erscheinen“, „mit wievielen Familien haben Sie gesprochen“ zählen zu den häufigsten Fragen. Eine Mutter, die zu den Vergewaltigungsopfern zählt fragt ihn „Wie kann ich es schaffen, mein Kind mehr zu lieben?“ Erst nach seiner Abreise fällt ihm die Antwort ein. „Wenn Du Dir diese Frage stellst, dann ist da schon sehr viel Liebe.“