WIR VOM SEE

Aus einem Haus in der Limastraße kommt eine Dame auf die Straße, Haare fein hochgesteckt, apart wie man in Zehlendorf so ist, betrachtet den Strike und mich beim Boote aufpumpen, der Strike gönnt ihr ein Lächeln mit Bambi-Augen.
„Ach. Das macht wohl richtig Arbeit,“ sagt sie mit englischem Akzent. „Wenn wir etwas Platz hätten, dann könnten Sie ja, aber wir haben ja nicht.“
„Das ist nett, aber lassense mal. Ich hab Freunde am Elvirasteig.“ (Und trotzdem pumpen wir tagein tagaus, weil ich meine Freunde nicht als Parkplatz missbrauche und das Pumpen mit dazu gehört, irgendwie.)
Eine Passantin im Rentenalter, gepflegt frisiert und coloriert, ein Hardcover-Buch in der Hand, auch auf dem Weg zum See oder in die Fischerhütte, bleibt stehen.
„Ach, das sieht ja richtig anstrengend aus!“
„Vor den Spaß hat der liebe Gott die Arbeit gesetzt!“ oder so sagt der Strike und mir bleibt die Spucke weg, wo liest er all die kessen Sprüche auf? Fliegen sie ihm zu, spazieren sie an ihr heran oder pflückt er sie am Wegesrand? Die Seniorin strahlt und nickt und zieht ihres Weges.

Ein schwimmender Rentner nickt uns anerkennend zu, während wir in unseren Booten loungen, rauchen und Wein trinken.
„Die Anwohner sind heute so freundlich!“ Erkennt der Strike. „Das ist wie zusammenhalten angesichts letztem Sonntag.“
Und tatsächlich. Alle, die von Mohid gehört haben und trotzdem auf dem See sind, sind jetzt irgendwie Gemeinde. Das erste Glas, bzw den ersten Becher, haben wir auf ihn angestoßen, wie versprochen. Der See wird zur Metapher fürs Weitermachen. Der See ist auch noch da, wenn wir alle weg sind und andere sich dahin begeben und ein paar Stunden in seiner Schönheit verweilen. Und schwimmen. Und plätschern, lesen, rauchen, Wein trinken, den Stimmen vom Ufer zuhören, in der Sonne braten, sich vom Nieselregen unter die Bäume an Rand retten, Knusperstangen knabbern, Schwimmer begaffen, blasen, Enten füttern, Schwäne verscheuchen, leben, sterben.

Das erste Mal im Jahr sichten wir Edelgard, die Edle vom Schlachtensee, ohne die ein Sommer nicht wirklich ein Sommer ist – wie immer, außer, wenn nicht, kommt sie uns entgegen geschwommen, schauen Sie – da rechts. Ich winke, sie winkt zurück.
„Du hast mir gefehlt!“ Ruf ich ihr zu.
„Schön Dich zu sehen!“ Und strahlt das Edelgardsche Strahlen.

Als wir schon geankert haben ein Boot mit drei Damen. Ein eindrucksvolles Schlauchboot so in der 300 Euro Kategorie. Die Schwarzhaarige vorn im Boot schaut rüber, nimmt ihre Sonnenbrille ab, schaut nochmal, runzelt die Stirn.
„Nein, ne? Ellena?“
Und dann kommt Ellena, eine meiner ältesten Schulfreundinnen, zu uns gepaddelt, zwei weitere Ladies an Bord und die Drei docken an und bleiben ein Stündchen und wir lachen alle viel und machen Fotos und ich wünschte, wir hätten mehr Proviant an Bord, denn die Drei fügen sich so gut ein, es passt alles so golden und die Dynamik ist tiptop, mit allem Zick und Zack. Und nach einem Stündchen paddeln sie weiter und der Strike und ich sind wieder unter uns, was wir ja sehr gut beherrschen. Nicht ganz unter uns, natürlich, weil der See ja auch dabei ist, uns beherbergt, uns bespaßt, umspielt, umfließt, und leise und fein uns und unsere Boote ruckelt, so dass ich am Abend auf dem Bett immer noch den Seegang spüre.

3 Gedanken zu „WIR VOM SEE

  1. Kitty Koma

    Was ich mir wünsche: Einer von ihnen beiden sollte in den nächsten Jahren ein hübsches Matterhornweg- oder Elvirasteig-Häuschen erben. So ganz unverhofft, von einem älteren Herren, der nie ohne Jackett mir Einstecktuch vor die Tür ging und von dem man früher dezent, hinter vorgehaltener Hand sagte, er wäre leider nicht für die interessierten Damen zu haben, denn er wäre vom anderen Ufer.

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