Blut/ Wasser

Ende Mai erfuhr ich, dass das Buch, an dem ich gerade ein Jahr geschrieben hatte, unverkäuflich sei. Zu schwul. „Ein starker, berührender Text“, schrieb eine ehemalige Lektorin, aber eben leider nicht massentauglich, da es sich quasi um eine schwule Autobiographie handele. Dass eine, meine, Biographie zentral zum Thema ist – es handelt sich um ein Buch über Angst- und Panikstörungen, mache es schwer, einen großen Verlag dafür zu finden. Ein Buch über Ausgrenzung, das nun ausgegrenzt wird. Das sind die klaren Fakten des Marktes einer Gesellschaft, in der doch eigentlich alle Menschen gleich sind und in der Toleranz und Akzeptanz einen hohen Rang haben. Auch nicht ganz ohne Ironie, dass ein sehr geschätzter Kollege gerade mit einem Buch über Bipolarität abräumt. Da ist wieder dieses Gefühl, in die Ecke gestellt zu werden; der Beweis dafür, dass ich für mein So-Sein anders behandelt werde.

Das ging an meine Menschenwürde, in die Magenkuhle und mit nem Baseball-Schläer in die Kniekehlen. Das hat einiges verändert. Zunächst sagte ich meinen Geburtstag ab. Ich hatte nicht das Gefühl, dass man mich feiern sollte oder dass ich imstande sein würde die Liebe zu generieren, die eine Party benötigt. Ich verbrachte zwei Urlaubswochen auf meinem Balkon ins Leere starrend. Ich hatte einen Hass auf mein Leben, den auch mein Umfeld zu spüren bekam. Einige befanden, ich sei in mein Unglück verliebt, andere mutmaßten ich würde einen frühen Tod durch Alkohol sterben und inszenierten eine Intervention, die gut gemeint war, aber für das Ende zweier Freundschaften sorgte, denn lieber habe ich, dass man mit mir redet, als über mich. Die beiden waren weit über ihr Ziel hinausgeschlossen. Das Grundvertrauen, das die Basis jeder Freundschaft ist, ging dabei in die Brüche. Ich wurde vorgeführt und dann wurde noch nachgetreten. „Sie haben es doch nur gut gemeint“ stimmt natürlich, aber woher kommt die Feindseligkeit, wenn ich nachfrage? Da muss ich Jahrzehnte lang ein sehr sehr schlechter Freund gewesen sein.

Und dann kam meine Mutter zu Besuch und wir begannen, eine neue Ordnung aufzustellen. Probleme, an denen ich jahrelang gescheitert war, wurden neu hinterfragt und wir fanden Lösungen. Ich erlebte meine Mutter nicht als Mutter, sondern als Freund. Und sie las mein Buch, in dem meine Kindheit in ihrer Obhut natürlich eine wichtige Rolle spielt. Ich hatte große Bedenken, dass sie mit der Darstellung ihrer Person nicht zufrieden sein würde. Wenn sie gesagt hätte „Veröffentliche das bitte nicht“, dann hätte ich das Dokument gelöscht. Aber sie findet das Buch großartig und ehrlich, und so hat sie noch keines meiner Bücher gelobt. Es stehen noch einige Rückmeldungen von Verlagen aus. Vielleicht macht´s ein schwuler Verlag, vielleicht werde ich zum Epublisher. Aber diese Phase, die alle Anzeichen einer schweren Depression hatte, und in der die Selbst-Sicherheit, die ich mir eh erkämpfen muss, vollständig abhanden gekommen war, ist abgeschlossen. Danke an alle, die es mit mir ausgehalten haben. Und vor allem meine Mom.

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