„Sagen Sie, was mach ich denn, wenn ich Besuch bekomme?“
„Na. Idealerweise holen Sie den hier an der Absperrung ab.“ Sagt der attraktive Polizist, ihm zu Füßen ein halbes Dutzend Aktivisten in pazifistischem Sitzstreik. Und unterlässt es, mir die Alternative zu schildern, die mir der Boyfriend des Nachbarn erklärt, als ich ihn im Hof treffe.
„Ich geh schon immer hin und sag „Ich brauch Geleit zu Haus Nr. 11, dort lebt mein Partner.“ Heute morgen war es einer aus Thüringen, der hat nen hochroten Kopf bekommen, weil er nen Schwulen begleiten musste.“
„Das hat das Aas eben doch extra nicht gesagt! Und wenn ich das gestern Abend gewusst hätte – der Typ war nämlich richtig süß und hat sehr freundlich gelächelt!“
Ca eine Stunde später bekommen die Polizisten Auftrag, die Sitzblockaden aufzulösen, was sie auch, unter Geschrei und Gezeter der Sitzpazifisten tun. Es sind so Träubchen von Menschen, vielleicht ein Dutzend. Die besetzte Schule ist quasi auf gleicher Höhe, in der Parallelstraße. An allen Absperrungen mehr oder weniger viele Menschen, die Reime schmettern, als haben sie noch nie zuvor Gelegenheit gehabt. Bei der ganzen Räumungsaktion erfahre ich sehr viel mehr über meinen Kiez, als über die Flüchtlinge. Note to Bezirk: wären keine Polizisten da, gäbe es auch keine Demonstranten. Die reagieren auf die Polizeibelagerung und nehmen die Räumung der Asylanten als Vorwand. Im Hof überlegen wir, ob wir nicht eine Nachbarschaftsdemonstration so von innen heraus veranstalten sollten. Unter anderem auch für die Geschäfte, Cafés und Restaurants, die unter der Belagerung leiden. Die Polizisten nutzen zwar die Toiletten der Restaurants, aber ihr Essen wird geliefert. Die Demonstranten haben keinen Hunger, weil Empörung sexy und appetithemmend ist.
Als das Fußballspiel beginnt kommt es zu einem eindrucksvollen Schichtwechselmanöver. Im Schritttempo fährt ein Wannenkorso die Straße hinab. Ein Big Dick Moment. Während in der Parallelstraße noch Aktivisten und Polizisten nebeneinander stehen und den Fußball public viewen. Twitter bekundet Panik – die Polizei nutze den Fußball zur Räumung, aber nein, es bleibt bei diesem Machtmanöver.
Angeblich soll heute in Pressekonferenzen auch die Sichtweise der Asylanten bespiegelt werden, deren Forderungen nachvollzieh- aber unpraktizierbar sind. Wenn das so weitergeht mit den unnachgiebigen Verhandlungen, hoffe ich, dass sich die Polizei endlich mal unsere Gesichter hier merkt und ich nicht jedes Mal meinen Ausweis zeigen und Bitte und Danke sagen muss, wenn ich meine Straße betreten möchte.
Seltsam, dass über diesen Belagerungszustand nur in Berlin berichtet wird.