SELBST SCHULD?

Für einen einstigen Studenten der Theaterwissenschaft gehe ich erstaunlich selten ins Theater. Praktisch nie. Aber das Schauspielhaus ist ja jetzt schon seit langem Konzerthaus und anstelle eines Konzerts gibt es dort heute Ausschnitte aus den größten Werken der Ballets Russes – Choreographien von Fokin und Nijinsky! Präsentiert, moderiert und zum Teil wohl auch getanzt von Vladimir Malakhov.
Auch was Ballett angeht bin ich ein ziemlich unbeschriebenes Blatt. Außer, dass ich alles über Nijinsky gelesen habe, was man von ihm gelesen haben muss. Mit 14 hatte ich daraufhin den Plan, Tänzer zu werden. Was von meinen damals noch arg konservativen Eltern vereitelt wurde, was möglicherweise die bizarren Streit-Träume erklärt, die seit ein paar Wochen (seit ich das Ticket gekauft habe), meine Alptraum-Szenarios beherrschen. Da fliegen nur so die Fetzen, schlimmer noch als damals, wo ihnen alles darum ging, das auffällige Kind zu normalisieren. Dass das alles längst verarbeitet ist, vergeben, nicht vergessen, scheint mein Traum-Ich nicht zu interessieren. Auch, dass ich mit 14 schon zu alt gewesen wäre und auch nicht die Konstitution eines Tänzers habe oder je hatte, ist mir heute klar. Weil ich also nicht tanzen durfte, habe ich Ballett fürderhin vermieden. Nur Nijinsky hat mich nie losgelassen. Und so ist es schön, dass er, der mir damals die Augen für den Tanz geöffnet hat, heute Abend auch dabei sein wird, wenn ich mit einer blöden Tradition breche und ins Ballett gehe. 30 Jahre Verzicht sind genug. Und ich habe die Befürchtung, dass ich mich nach diesem Abend grämen werde für die verpassten Chancen Kunstgenuss.

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